Rede von Lisa Paus Geldwäsche und Terrorfinanzierung

29.06.2018

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt genau ein Jahr her: Am 30. Juni 2017 schrieb die „Bild“-Zeitung unter dem Titel „Das sind Schäubles Mafia-Jäger“:

Schäuble … hat jetzt sein eigenes FBI! … Spezialeinheit … „Financial Intelligence Unit“ (FIU) ist nun endlich einsatzbereit.

Aber, meine Damen und Herren, die Wahrheit ist: Selbst heute, zwölf Monate später, ist eben Schäubles FBI noch immer nicht einsatzbereit. Nach wie vor steht die Frage im Raum: Wann geht es endlich los mit der Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland durch die FIU? Und das ist ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Zahlen wurden schon genannt: 58 000 Geldwäscheverdachtsmeldungen gab es in diesem einen Jahr, aber nur die Hälfte davon wurde abschließend beantwortet. So lautete auch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage. Es ist eben nicht wie in anderen Behörden, dass es egal ist, wenn sich einfach mal so die Akten stapeln, weil man sie auch ein Jahr oder zwei Jahre später abarbeiten könnte. Vielmehr geht es hier um Fälle von Terrorfinanzierung. Deswegen sagt zum Beispiel der Bund Deutscher Kriminalbeamter, dass es sich um eine sicherheitspolitische Katastrophe handelt. Nicht meine Worte, deren Worte! Und Sie sitzen hier und tun nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Im Moment ist es so, dass diese Behörde nur 100 Mitarbeiter hat, lieber Herr Zimmermann. Erst vor vier Wochen hat die Bundesregierung auf unsere Nachfrage hin dann doch eingeräumt: Ja, das war wohl doch ein bisschen zu gering kalkuliert. Eigentlich bräuchte man 475 Stellen. – Sie haben gerade gesagt, der Haushaltsausschuss habe mehr Stellen bewilligt – aber immer noch nicht diese 475 Stellen; dabei hat die Bundesregierung selbst schon vor vier Wochen gesagt: Das ist eigentlich das Minimum, was man angesichts des derzeitigen Chaos braucht. – Auch hier wird wieder nicht vernünftig geliefert. Das Problem gehört auf die Tagesordnung. Deswegen ist der vorliegende Antrag der Linken richtig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es verhält sich noch schlimmer: Unter den 100 Mitarbeitern gibt es ganze zwei Polizisten, dafür gibt es viele Azubis und viele Studierende, also in der Sache nicht qualifizierte Personen. Und: Niemand unter diesen 100 Personen war vorher mit dem Thema Geldwäsche bzw. Terrorfinanzierung befasst. Die Vorgänge werden also komplett von neuen Leute bearbeitet, die unterqualifiziert oder falsch qualifiziert sind.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist eine Unterstellung!)

Das ist das neue FBI von Herrn Schäuble? Das ist eigentlich ein Witz! Aber man kann nicht wirklich darüber lachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zu allem Überfluss war der Chef dieser Behörde jemand, der vorher als Referatsleiter im Kartellamt tätig gewesen ist. Auch das ist nicht wirklich ein Ausweis an Qualität.

Das Ergebnis der ganzen Angelegenheit ist, dass Deutschland, das schon vorher international als Geldwäscheparadies bekannt war, dieses immer noch ist. Ich habe eben die Zahl schon genannt: Nach Schätzungen der Bundesregierung und des BKA fließen pro Jahr 100 Milliarden Euro schwarzes Geld nach Deutschland, auch im Zusammenhang mit Terrorverdacht. Das war schon vorher so, aber – das muss man leider sagen – dank Schäubles vermurkster Umsetzung sind wir heute mehr denn je ein Geldwäscheparadies. Das ist eine echte Bankrotterklärung dieser Regierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dass der Chef dieser Behörde zurückgetreten ist, wie gestern bekannt wurde, ist zwar angesichts dieses Desasters keine wirkliche Überraschung; aber das ist leider, meine Damen und Herren, auch keine Lösung des Problems. Deswegen unterstützen wir den Antrag der Linken, in dem ja nichts anderes formuliert wird als die dringendsten Maßnahmen, die man jetzt angehen muss. Diese muss man jetzt auch wirklich umgehend umsetzen.

Herr Zimmermann, dass jetzt, wie Sie eben gesagt haben, alles gut wird, stimmt einfach nicht. Die Behörde hat momentan praktisch keine Leitung. Es gibt immer noch zu wenig Personal. Ich muss schon sagen: Die 100 Tage Schonfrist, die jedem Minister eingeräumt werden, sind auch bei Herrn Olaf Scholz inzwischen vorbei. Deswegen möchte ich insbesondere Ihnen von der SPD heute sagen: Es waren nicht wir, sondern es war die SPD aus Nordrhein-Westfalen, die in den vergangenen Wochen bei einer Anhörung im Landtag in Nordrhein-Westfalen von chaotischen Organisationsstrukturen, von fehlenden Kompetenzen, von überforderten Mitarbeitern und von einer eklatanten Sicherheitslücke gesprochen hat.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Den Antrag hat der Gleiche geschrieben, der da im Landtag den Antrag textete!)

Deswegen muss ich klar sagen: In Ihrem Koalitionsvertrag steht zu diesem Thema einfach zu wenig drin. Daran sieht man ganz klar: Das Thema hat bei Ihnen keine Priorität. Das Wort „Geldwäsche“ taucht zweimal auf. Außerdem heißt es da, Sie wollen das Ganze effizient und unbürokratischer gestalten. Das ist eindeutig zu wenig; denn das, was wir haben, ist nicht effizient.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Paus, kommen Sie bitte zum Schluss.

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum letzten Satz. – Wenn die Gewerbeaufsichtsämter und die Standesbeamten in Deutschland nach wie vor für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständig sind, wenn die zentrale Behörde auf Bundesebene so aufgestellt ist, dann ist das nicht effizient. Das funktioniert nicht. Das ist von daher eine zentrale Aufgabe Ihres Finanzministers.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Und Ihrer grünen Wirtschaftsminister!)

Fangen Sie jetzt endlich an, diese Aufgabe wahrzunehmen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)