Rede von Tobias B. Bacherle Gemeinsames Europäisches Asylsystem
Tobias B. Bacherle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ein funktionierendes GEAS liegt auch im ureigensten Interesse Deutschlands.“ Als ich den dritten Satz Ihres Antrages gelesen habe – „Gemeinsam“ stellen Sie dahin –, habe ich gedacht: Das ist doch der blanke Hohn. Sie, liebe Union, haben uns doch den europapolitischen Scherbenhaufen hinterlassen, indem Sie Dublin III als unantastbar erklärt haben, indem Sie gesagt haben: Die Außengrenzstaaten sollen sich mal drum kümmern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mechthilde Wittmann [CDU/CSU]: Sie haben gar nicht gelesen, worum es geht!)
Das sind nicht die allerbesten Voraussetzungen, um jetzt gemeinsam ein solidarisches System in Europa zu verhandeln, was?
Aber es ist gut, dass man so lange dabeigeblieben ist, ja, auch ein paar Dinge verbessern konnte. Das war in der Gemengelage, die Sie uns da hinterlassen haben, alles andere als selbstverständlich. Aber ich bin ehrlich: Natürlich bin ich von dem Ergebnis auch enttäuscht. Ich bin überzeugt: Kein anständiger Mensch kann von diesem Kompromiss begeistert sein.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Eijeijei! – Christoph de Vries [CDU/CSU]: Klare Ansage an die Bundesinnenministerin! – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Bestenfalls wird GEAS ein gemeinsames Verfahren in Europa ermöglichen. Zu sagen: „Das ist das Maximale, was an Humanität möglich war“, ist nicht zufriedenstellend. Aber es ist zweifelsohne Auftrag für uns. Der Ball, Schengen in aller Konsequenz und auch in Bayern wieder zu verteidigen und zu erhalten, liegt jetzt umso mehr bei uns.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie, liebe Union, werfen hier immer wieder ein – ich weiß nicht so genau, wie Sie das meinen –, Sie wollen Migration und Asyl unterscheiden. Ich bin gespannt, wie Sie sich in den nächsten Wochen hier im Haus verhalten werden. Denn die Verantwortung, die wir gemeinsam in diesem Hause jetzt haben und die die Bundesregierung jetzt hat, ist, legale, sichere Migrationsmöglichkeiten zu schaffen – nicht nur aus Selbstnutz, weil wir die Arbeitskräfte brauchen; nicht nur, weil es frustrierend ist, dass Europa sich nicht darauf einigen kann, seine Werte an den Außengrenzen konsequent zu verteidigen; sondern auch, weil es die einzige Möglichkeit ist, wie wir den Menschen eine sichere und gute Perspektive bieten können, in diesem Land anzukommen, anzupacken, mitzumachen. Deswegen braucht es jetzt ein modernes Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die Möglichkeit des Spurwechsels, schnellere Arbeitsmarktzugänge für Menschen, die schon hier sind. Das entlastet dann auch die Kommunen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Und wir müssen Fluchtursachen konsequent bekämpfen, das heißt auch den Klimawandel, weil das sonst viele weitere Menschen zur Flucht bewegt. Wenn Sie da nicht konsequent dabei sind, dann haben Sie immer noch nicht verstanden, warum Menschen fliehen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Sie stellen doch die Kohlekraftwerke wieder an! – Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])
Das ist vielleicht der Punkt, der Ihren und den anderen Antrag, den wir heute hier verhandeln, eint. Denn die Fundamentalopposition von Ihnen, der Linken, ist bequem. Ich bin ehrlich: Auf den ersten Blick ist sie natürlich auch sympathisch.
(Zuruf der Abg. Janine Wissler [DIE LINKE])
Aber: Sich beständig der Verantwortung zu entziehen und es nicht zu schaffen, die Verantwortlichen für den Angriffskrieg, der Millionen Menschen in Europa zur Flucht gezwungen hat, klar und in aller Konsequenz zu benennen, führt dazu, dass ich Sie hier auch nicht ernst nehmen kann.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Das ist doch Blödsinn! – Thomas Lutze [DIE LINKE]: Das ist peinlich hoch zehn! – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Josef Oster für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU)