Rede von Julian Pahlke Gemeinsames Europäisches Asylsystem

Julian Pahlke MdB
15.12.2023

Julian Pahlke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte demokratische Abgeordnete!

(Jörg Schneider [AfD]: Sie haben Ihre Kollegen ausgeschlossen!)

Die Europäische Union hat 2012 zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen. Ob sie gerade einen zweiten bekommen würde? Ganz ehrlich: Das würde ich offen bezweifeln.

Die Entrechtung von Geflüchteten an den Außengrenzen ist brutaler Alltag in dieser Europäischen Union. Pushbacks, Verantwortungslosigkeit der Mitgliedstaaten und eine EU-Kommission, die sich blind und taub stellt. Bei allen Schwierigkeiten, die das jetzige System der EU hat, bin ich überzeugt, dass mit dieser Reform alle Probleme der EU weiter ungelöst bleiben. Weitere Entrechtungen führen nicht zu weniger Geflüchteten, sondern nur zu mehr Leid.

Aber mindestens so problematisch wie diese Reform ist die vergiftete Debatte über Flucht und Migration. Am Jahresende und als einer der letzten Redner im Bundestag in diesem Jahr, finde ich, muss man schon mal ein bisschen zurückschauen auf das, was in der Debatte eigentlich alles gesagt wurde, und darauf, wie manche dabei nach rechts abgerutscht sind.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie könnten mal schauen, was Sie alles gemacht haben bzw. nicht gemacht haben!)

Da ätzt Friedrich Merz gegen ukrainische Geflüchtete, sie seien – ich zitiere –: „das schlechteste Beispiel, um von gelungener Integrationspolitik zu sprechen“. Über junge Menschen mit Migrationsgeschichte sagt der Parteivorsitzende einer christlichen Partei, das seien „kleine Paschas“.

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Thorsten Frei möchte gern das Asylrecht abschaffen;

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

weil er nur noch Fachkräfte nach Deutschland lassen möchte. Jens Spahn geht da noch ein bisschen weiter und spricht davon, dass er auch gerne – Zitat –: „physische Gewalt“ anwenden möchte. Das ist etwas, was ich bis jetzt nur von den Antidemokraten am ganz rechten Rand in diesem Hause gehört habe. Mit Merz an der Spitze kommen die 90er-Jahre zurück und damit die Rhetorik von 1992 und die gefährliche Zuspitzung wie vor Rostock-Lichtenhagen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])

Mag sein, dass einige in der Union es nicht verkraften, gerade mal nicht zu regieren.

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Dass man da zuschauen muss, ist wirklich schwer erträglich!)

Aber wer so redet, der wird diese perfide Logik, diese Entmenschlichung nur mit der AfD umsetzen können. Herrn Merz fliegt doch langsam, aber sicher der eigene Laden auseinander,

(Lachen bei der CDU/CSU)

weil es selbstverständlich reichlich gescheite Leute in der Union gibt,

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der CDU/CSU)

zum Beispiel diejenigen unter Ihnen, die das Chancen-Aufenthaltsrecht eigentlich ganz okay finden oder die sich für humanitäre Hilfe für Geflüchtete in Krisengebieten einsetzen. Ehrlich: Danke an diejenigen unter Ihnen, die dazu noch stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Aber Friedrich Merz hat sich als Kanzlerkandidat doch längst selbst ins Aus geschossen,

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Vergiss es!)

spätestens seitdem er sich nicht als „Flugzwerg“ bezeichnen lassen will. Er wird mit seiner Kanzlerkandidatur bei Ihnen intern scheitern. Als Parteivorsitzender muss er aber wenigstens eine letzte Linie ziehen und halten, nämlich dass es niemals eine Zusammenarbeit zwischen der Union und der AfD geben darf.

(Tilman Kuban [CDU/CSU]: Hören Sie auf, so einen Quatsch zu erzählen! – Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Brauchen wir doch gar nicht! Wenn ihr so weitermacht, haben wir bald die absolute Mehrheit!)

Das ist mein großer Wunsch für das nächste Jahr.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)