Rede von Erhard Grundl Generaldebatte Bundeskanzleramt

12.09.2018

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich gewundert, wie lange zehn Minuten sein können. – Ich spreche jetzt zu Ihnen zum Kulturetat. Im Koalitionsvertrag dieser Bundesregierung nimmt die Erinnerungskultur einen wichtigen Platz ein. Das ist etwas, das wir als Fraktion natürlich unterstützen, aber auch einfordern. Deutschland braucht Konzepte für die Zeit, wenn keine Zeitzeugen für die Naziverbrechen zwischen 1933 und 1945 mehr da sind. Wir brauchen Erinnerungsstätten an authentischen Orten und mit entsprechendem Personal. Das Gedenkstättenkonzept von 2008 ist dringend zu überarbeiten, und auch vergessene Opfergruppen müssen endlich Gerechtigkeit erfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Geschichte legt man nicht zu den Akten, vor allem diese Geschichte nicht. Für all das muss deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden. Und wenn jetzt von Ihnen noch jemand fragt: „Braucht’s das?“, dann sage ich Ihnen: Im Deutschland von 2018, wo Menschen gejagt werden, weil sie zu Minderheiten gehören, wo jüdische Restaurants überfallen werden, wo Gedenkstätten vor Pöblern geschützt werden müssen und wo die Paten der Geschichtsverdreher und Holocaustrelativierer, wo die Vogelschisstheoretiker und Hasspraktiker hier im Parlament höckern, braucht es diese Erinnerungskultur mehr als jemals zuvor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, vor 100 Jahren, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, endete die deutsche Kolonialherrschaft. Bis heute ist die Auseinandersetzung mit diesem kolonialen Erbe eher eine Geschichte der Kunstsammlungen als der Verantwortung. Wir brauchen Dokumentationsstätten, Provenienzforschung und die Aufarbeitung des Kolonialismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für das Humboldt Forum fehlt immer noch ein klares Umsetzungskonzept. Hier geht es um deutlich mehr als um Hauptstadtprestige.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Integration ist eine unserer Herkulesaufgaben. Sie ist kein Ponyhof; aber sie gelingt durch die persönliche Begegnung, durch Arbeit und durch Teilhabe, durch kulturelle Teilhabe. Was aber tut unser Minister für Heimat dafür? Im BAMF geht es dank seiner Ränkespiele drunter und drüber. Integrationsmittel werden gekürzt, und Beratungsstellen sind überfordert. Zur Integration gehört es, an kulturellen Angeboten teilnehmen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die kulturelle Teilhabe unabhängig von der Herkunft und vom Geldbeutel ist entscheidend für eine vielfältige und solidarische Gemeinschaft.

Aber sowohl im Etat des Heimatministeriums als auch in dem von der Frau Staatsministerin vertretenen Etat werden die Mittel für kulturelle Integration gekürzt. Und das ist das völlig falsche Signal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Was wir brauchen, sind Investitionen in unsere Zukunft, gerade was die kulturelle Teilhabe von Menschen in Deutschland angeht.

Ein Wort noch zu den Ausführungen des Herrn Dobrindt: Die CSU und ihr Vorsitzender sind zurzeit auf der Suche nach Problemursachen. Ich erinnere mich noch deutlich daran, wie gerade dieser damalige Ministerpräsident und heutige Bundesinnenminister im April 2015 nach Riad geflogen ist, um Rüstungsexporte in die Krisengebiete zu unterstützen und vehement zu fordern. Das Problem, das wir in Deutschland haben, sind nicht Menschen, sondern das Problem ist eine solche Politik. Und dagegen verwahre ich mich.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)