29.11.2018

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Genome Editing am Menschen – noch vor wenigen Tagen hätten wohl nur die wenigsten von uns erwartet, welch aktuelle Brisanz dieses Themas entwickeln würde. Der Fall aus China schlägt zu Recht hohe Wellen. Denn wenn sich bewahrheitet, was der Forscher He Jiankui dazu bisher enthüllte, stehen wird vor einem Dammbruch. Vieles wurde nun schon zu diesem Fall gesagt, doch Folgendes erscheint mir dabei besonders wichtig: Jiankui hat mit ungeheuerlicher Wucht mit der akademischen Ethik gebrochen, denn sein Eingriff in die menschliche Keimbahn widerspricht ganz eindeutig dem Konsens der globalen Wissenschaftsgemeinde. Diese hält solche Eingriffe im Lichte der aktuellen Forschungsergebnisse für unverantwortlich. Und das ist absolut richtig. Es gibt eben keine ausreichend gesicherten Erkenntnisse darüber, wie sich sowohl die beabsichtigten als auch die unbeabsichtigten Veränderungen im Erbgut in der nächsten und übernächsten Generation auswirken. Ein solcher Eingriff wie in China stellt einen fundamentalen Bruch mit dem Vorsorgeprinzip dar und ist für uns Grüne nicht hinnehmbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, im Lichte dieses Ereignisses wirkt Ihr Antrag unter dem Titel „Technologischen Fortschritt nicht aufhalten“ doch sehr entrückt. Und viel schlimmer: Damit befördern Sie eben keine grundlegende und ernsthafte ethische Debatte über die neuen Möglichkeiten, die sich mit CRISPR/Cas ja zweifellos ergeben. Mit dem Motto, „die Chancen vor den Risiken in der Entwicklung der Humangenetik zu sehen“, führen auch Sie das Vorsorgeprinzip ad absurdum.

Es geht hier ja nicht um die Frage, wie wir unseren Verkehr anders organisieren – da fordern auch wir als Grüne mehr Experimentierräume –, und es geht auch nicht um die Frage der Digitalisierung, wo Ihr Slogan auch schon sehr irritierend war: „Digital first. Bedenken second.“ Hier geht es um die fundamentale Frage unserer menschlichen Würde und darum, ob ein Eingriff in die menschliche Genetik überhaupt unter bestimmten Voraussetzungen und aus sehr besonderen Gründen zulässig sein kann.

Ich möchte an dieser Stelle an die Debatte gestern zur Organspende erinnern – auch eine wesentliche Frage, wie wir mit der Selbstbestimmung der Menschen über ihren eigenen Körper umgehen. Dafür hat sich der Bundestag gestern zweieinhalb Stunden Zeit genommen – nur für eine erste Orientierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, das ist der richtige Rahmen für eine so grundlegende ethische Frage und nicht so ein schnell zusammengeschriebener Antrag, der der Grundsätzlichkeit dieses Themas gar nicht gerecht werden kann.

Und er versucht es ja auch gar nicht. In Ihrem Antrag finden sich viele unklare, unausgereifte Forderungen, sodass man sich fragt: Was wollen Sie, liebe FDP, denn nun wirklich geändert haben? Da ist zum Beispiel die Forderung, „das Embryonenschutzgesetz (ESchG) sowie das Präimplantationsdiagnostikgesetz (PräimpG) zu überarbeiten und an den technologischen Fortschritt im Bereich künstlicher Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) anzupassen, um für Rechtsklarheit zu sorgen“. Was wollen Sie denn „anpassen“? Wollen Sie auch Versuche mit befruchteten Eizellen bzw. Embryonen erlauben, die aktuell gesetzlich untersagt sind, einfach mal so eben mit diesem Antrag?

Diese Rede ist zu kurz und diese Debatte nicht der richtige Ort, um über so grundsätzliche Fragen zu diskutieren, mit denen sich zu Recht derzeit sowohl der Deutsche Ethikrat als auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag beschäftigt. Diese Berichte will die FDP ja offenbar noch nicht einmal abwarten. Als Grüne sind wir dafür, dass wir diese Debatten sorgfältig führen, gemeinsam mit der Wissenschaft, faktenbasiert und mit den zwingend notwendigen ethischen Leitplanken. Das haben wir auch zum Start unserer Debatte über unser Grundsatzprogramm deutlich gemacht.

Dass wir sie führen müssen, zeigt auch der Fall aus China. Auch ich möchte mich daher – wie mein Kollege Harald Ebner gestern bereits in der Fragestunde – der Forderung des Ethikrates anschließen, endlich tätig zu werden und sich dafür einzusetzen, ethische Standards auf Ebene der Vereinten Nationen zu setzen. Da besteht derzeit offensichtlich dringender Handlungsbedarf im Bereich Genome Editing am Menschen – ganz im Gegensatz zu den Forderungen des Antrags.