Rede von Katja Dörner Gesundheit

23.03.2018

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Gesundheitsministerium zu leiten, ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Wenn ich mir anschaue, wie und mit welchen Themen sich der neue Minister in den letzten Wochen in die öffentliche Debatte eingebracht hat, dann habe ich sehr starke Zweifel daran, dass er für diese Aufgabe tatsächlich geeignet ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das meine ich überhaupt nicht fachlich. Ich glaube, niemand hier im Saal wird bezweifeln, dass Jens Spahn die Rechtsgrundlagen der Gesundheitspolitik gut kennt. Ich meine das mit Blick auf seine Haltung gegenüber einem großen Teil der Menschen, für deren Gesundheit und für deren gute Pflege wir uns einsetzen sollten.

Norbert Blüm hat gestern eine harte Diagnose gestellt: Empathie- und Herzlosigkeit,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Mit Recht!)

und zwar zu Recht. Ein guter Gesundheitsminister muss sich in die Menschen hineinversetzen wollen und auch können. Das konnten wir in den letzten Wochen nicht erkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn ich von einem großen Teil der Menschen spreche, die von uns zu Recht erwarten, dass wir eine gute Gesundheitspolitik machen, dann meine ich zum Beispiel auch die Frauen. An absurden Aussagen von Herrn Spahn zum § 219a herrscht ja leider kein Mangel.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Aber keine Frau trifft eine Entscheidung leichtfertig, wenn es um die Frage eines Schwangerschaftsabbruchs geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Das hat auch niemand gesagt!)

Die Pille danach ist kein Smartie, das Frauen einfach einwerfen, wie Herr Spahn suggeriert, sondern eine Notfallverhütung, für die es gute Gründe gibt. Ich erwarte von einem Gesundheitsminister, dass er die Sorgen und Nöte von Frauen ernst nimmt, statt sich plump auf ihrem Rücken zu profilieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der LINKEN und der FDP – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zur Sache! Das wäre mal interessant!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es übrigens sehr gut, wenn man sich um schwangere Frauen sorgt. Ich finde es auch sehr gut und wichtig, wenn man sich um die Geburtshilfe sorgt. Das hat ja auch durchaus etwas miteinander zu tun. Zum Thema Geburtshilfe und Hebammen finden wir im Koalitionsvertrag einen minimickrigen Satz. Angesichts der schwierigen Situation vielerorts ist das eine herbe Enttäuschung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn ich von einem großen Teil der Menschen spreche, die von uns eine gute Politik erwarten, dann meine ich die Menschen, die pflegen und die gepflegt werden. Ich war in den letzten Wochen und Monaten auf vielen Veranstaltungen zu dem Thema in Pflegeeinrichtungen und in Ausbildungsinstitutionen. Ganz klar ist: Der Pflegenotstand ist Realität. Wir sind mittendrin.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und jetzt gibt es ein klitzekleines Sofortprogramm. Am Mittwoch hat die Kanzlerin gesagt – Jens Spahn hat es heute auch noch einmal gesagt –: Das ist ein erster Schritt. – Klar, es ist ein erster Schritt. Aber in der dramatischen Situation, in der wir uns tatsächlich befinden, erwarten die Menschen echte Verbesserungen statt nur einen ersten kleinen Minischritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir Grüne haben Vorschläge für zwei Sofortprogramme in der Altenpflege und für die Krankenhäuser gemacht. Das sind Sofortprogramme, die einen tatsächlichen Effekt hätten. Ich bin auf die parlamentarische und auch auf die öffentliche Auseinandersetzung dazu gespannt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es würde der Bundesregierung auch sehr gut anstehen, unseren Vorschlag aufzugreifen und die Pflege endlich in den Namen des Ministeriums mit aufzunehmen. Das wäre ein wichtiges Signal hinsichtlich der Bedeutung dieses Themas.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Und damit lösen wir alle Probleme?)

Ein anderer sehr großer Teil der Menschen, die von uns eine gute Gesundheitspolitik erwarten, sind die gesetzlich Versicherten, die es leid sind, wochenlang auf einen Termin bei der Fachärztin zu warten, wohl wissend, dass mit einer privaten Versicherung schwuppdiwupp ein Termin zu haben wäre. Da hilft nämlich ein Herumdoktern an den vermurksten Terminservicestellen nicht. Denn es geht – auch das ist schon gesagt worden – um die strukturellen Unterschiede der Vergütung von Leistungen für Kassen- und Privatpatientinnen und -patienten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist an der Zeit, nicht nur die Symptome zu bekämpfen, sondern tatsächlich die Ursachen zu beseitigen. Deshalb wird für uns die Bürgerversicherung auch in dieser Legislaturperiode ein wichtiges Thema sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ich dachte schon, das kommt heute gar nicht mehr!)

Minister Spahn hat als eines seiner wichtigsten Themen die Digitalisierung genannt. Natürlich werden wir auch da den Minister an seinen Taten messen. Ein kleiner Rückblick kratzt aber schon sehr am neuen Selbstbild als digitaler Macher. Denn zwischen 2009 und 2013 hat Herr Spahn als gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion zugelassen, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen komplett ausgebremst wurde. Nützliche Anwendungen wie beispielsweise das elektronische Rezept wurden gestoppt, und noch 2016 wurde die Fernverschreibung verboten.

All das passt überhaupt nicht zur Forderung nach mehr Telemedizin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend. Minister Spahn hat 2016 etwas sehr Kluges gesagt, und zwar zum Umgang mit der AfD:

Populismus ist da wie eine Droge. Die Dosis muss immer höher werden, die Forderungen immer abgedrehter, damit es noch wirkt. Das kann nicht unser Weg sein.

Beherzigen Sie das! Es ist nicht unsere Aufgabe, täglich um Schlagzeilen zu buhlen, sondern tatsächlich den Alltag der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Wir sind dafür bereit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])