Rede von Ulle Schauws Gleichgeschlechtliche Ehe

29.11.2018

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Tausende gleichgeschlechtliche Paare haben sich in diesem Jahr das Jawort gegeben. Tausende haben ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt. Tausende regenbogenbunte Feste mit vielen glücklichen Menschen hat es seither gegeben – und darum sage ich es gerne noch einmal: Die Ehe für alle hat unsere Gesellschaft nicht nur gerechter gemacht, sie hat sie auch glücklicher gemacht.

Wir konnten bei der ersten Lesung des vorgelegten Gesetzentwurfs feststellen, dass sich an der Haltung der Union etwas zum Positiven verändert hat, vor allem in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Gut so. Denn die große Mehrheit in unserem Land findet, dass alle Menschen leben und lieben sollten, wie und wen sie wollen.

Und an die AfD: Sie vertreten hier immer wieder, in jeder Rede, eine Minderheitenmeinung. Ihr verbaler Schmutz, den sie über queere Menschen und über der Ehe für alle ausschütten, verfängt nicht. Er entlarvt einmal mehr, wie angstvoll und homophob und wes Geistes Kind sie sind. Wir Grüne kämpfen für und verteidigen die offene Gesellschaft. Denn Liebe ist stärker als ihr Hass.

Bei dem Eheöffungsbegleitgesetz, das wir heute abschließend beraten, stimmt zwar die Richtung, aber dennoch räumt es nach den Beschlüssen zur Ehe vom letzten Jahr bestehende Ungleichheiten nicht vollständig aus. Im Abstammungsrecht bestehen gravierende rechtliche Nachteile für Regenbogenfamilien weiter. Zu 95 Prozent sind lesbische Paare mit Kindern von diesen Nachteilen betroffen.

Die aktuelle Rechtslage diskriminiert Kinder, die in gleichgeschlechtliche Ehen oder Partnerschaften hineingeboren wurden. Ihnen fehlt die Rechtssicherheit durch zwei Elternteile. Das wollen wir ändern. Uns geht es in unserem Gesetzentwurf darum, Kinder vor Diskriminierung zu schützen. Die Stiefkindadoption ist die bislang einzige Möglichkeit, durch die Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Ehe zwei rechtliche Elternteile bekommen können. Aber sie ist aufwendig und ein oft sehr langwieriger Prozess.

Lesbischen Paaren wird die Möglichkeit verwehrt, von der Geburt des Kindes an gemeinsam die Sorge zu übernehmen. Hier braucht es dringend eine gesetzliche Anpassung. Wir Grüne haben im Sommer einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Abstammungsrechts bei gleichgeschlechtlichen Ehen vorgelegt. Jetzt liegt es an der Regierung, endlich auch in diesem Punkt aktiv zu werden.

Und wer keine Ahnung von der zahllosen Forschung über Kinder in Regenbogenfamilien hat – wie offensichtlich die Bundesbildungs- und Forschungsministerin –, der oder die sollte sich tunlichst bedeckt halten. Familien und Kinder mit lesbischen oder schwulen Eltern infrage zu stellen und so zu diskreditieren, wie Frau Karliczek es getan hat, ist mehr als nur ein Fehltritt eines Regierungsmitglieds. Die eigene Blaupause von Werten über Familienmodelle zu legen, ist bevormundend und anmaßend. Das Werte-Tableau der Ministerin geht an der Werterealität von Familien und an einer modernen Gesellschaft vorbei.

Wir Grüne haben den bisher einzigen Vorschlag und einen Gesetzentwurf zum Abstammungsrecht für lesbische Paare mit Kindern vorgelegt. Aber wir wollen und müssen als Nächstes auch darüber reden, wie soziale Elternschaft oder die Mehrelternschaft rechtlich abgesichert werden kann. Denn verantwortliches Zusammenleben mit Kindern, egal in welcher Form oder Familienkonstellation, ist längst Realität.

Es braucht dringend ein modernes Familienrecht, das den vielfältigen Lebensentwürfen und den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird – und keine Regierung, die das weitere Jahre einfach so laufen lässt.