Rede von Ottmar von Holtz Globale Bekämpfung der Coronapandemie

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25.02.2021

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stand heute sind wir meilenweit entfernt davon, die Covid-19-Pandemie global in den Griff zu bekommen. Das hat fatale Folgen, nicht nur für uns, sondern auch und vor allem für die Menschen in den ärmeren Ländern unserer Erde.

Jahrzehntelang hat die Welt beharrlich globale Partnerschaften aufgebaut, erfolgreiche internationale Organisationen, Strukturen der internationalen Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Polio oder anderen Krankheiten. Soll das alles jetzt – in dieser großen Pandemie, die uns selbst herausfordert – keine Rolle mehr spielen? Wir dürfen diese über die letzten Jahrzehnte mühsam erarbeitete globale Solidarität nicht einfach fahrlässig über Bord werfen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind leider kurz davor, genau das zu tun. Wir dürfen die ärmeren Länder in dieser schweren Zeit, in der Pandemie, nicht alleinlassen. Das Virus und die damit verbundenen Folgeerscheinungen – Millionen Infizierte, Hunderttausende an Covid-19 Gestorbene, überfüllte Kliniken, Verunsicherung der Menschen, Schulschließungen, das Wiederaufflammen von beigelegt geglaubten Konflikten – würden einen immensen Schaden nach sich ziehen, wenn wir jetzt nicht handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines sage ich hier voraus: In dieser Situation steht auch unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Wenn wir die Länder des Globalen Südens jetzt im Stich lassen, dann fällt uns das irgendwann gewaltig auf die Füße.

Herr Dr. Müller, ich sehe, Sie nehmen auch an der Debatte teil. Ja, das BMZ hat viel getan, aber wir bekommen die Pandemie global nicht in den Griff, wenn wir business as usual machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Deutschland, in Europa haben wir seit nunmehr einem Jahr auf die Herausforderungen, die das Virus an uns stellt, mit Ausnahmebeschlüssen reagiert, mit Ausnahmebeschlüssen zum Schutz unserer Bevölkerung und mit sehr viel Geld – dreistelligen Millionenbeträgen! – zur Unterstützung unserer Wirtschaft. Wir müssen jetzt den nächsten Schritt tun und Ausnahmebeschlüsse zum Schutz der vulnerablen Menschen weltweit fassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir jetzt im Haushalt 1,5 Milliarden Euro für die globale Covid-19-Kampagne freigegeben haben, ist ein wichtiger erster Schritt. Doch zur Wahrheit gehört auch: Die Kampagne ist trotz der Zusagen aus Amerika, Großbritannien und der EU weiterhin extrem unterfinanziert. Von Anfang an hätten alle Staaten, EU und Deutschland inklusive, den Einkauf von Impfstoffen über die dafür vorgesehene Covax-Initiative der WHO steuern müssen. Das wäre der richtige, multilaterale Weg gewesen, auch um günstigere Preise für alle Länder verhandeln zu können und Transparenz zu gewährleisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen haben viele Länder, auch die Bundesregierung, bilaterale Abkommen mit Impfstoffherstellern getroffen, bevor Covax hierzu die Möglichkeit hatte; der Markt ist für Covax so gut wie leergekauft. Niedriglohnländer waren nun auch gezwungen, ihrerseits bilaterale Verhandlungen einzugehen – mit fatalen Folgen. Medienberichten zufolge bekommen diese Länder Zusagen nämlich nur zu exorbitant höheren Preisen als wir.

Seit zwei Monaten impfen wir bereits. Aber Covax hat erst gestern mit der Auslieferung von Impfstoffen starten können. Bei uns überschüssige Impfdosen müssen wir Covax zur Verfügung stellen. Es muss unter uns doch Einigkeit darüber herrschen, dass auch in anderen Ländern weltweit das Gesundheitspersonal und Menschen mit dem höchsten Risiko zuerst und schnell geimpft werden müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre eine faire und ethisch erforderliche globale Verteilung der Impfstoffe.

Wenn wir die globalen Ziele der Weltgesundheitsorganisation nicht erreichen, müssen wir natürlich auch über Fragen der Lizenzen und des Patentschutzes reden. Südafrika und Indien haben in der Welthandelsorganisation bereits einen Vorstoß gemacht. Liebe Bundesregierung, machen Sie sich zum Anwalt dieser Länder! Sagen Sie nicht einfach: „Nein, das geht nicht“ und „Das machen wir nicht“. Sagen Sie uns, wie es geht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichwohl wissen wir auch, dass das allein nicht ausreicht. Der Unterstützungsbedarf geht darüber weit hinaus. Wenn es um die Ausweitung von weltweiten Produktionskapazitäten geht, dann braucht es viele weitere Maßnahmen. Dann geht es um einen Know-how-Transfer. Es braucht eine funktionierende Zulieferindustrie, Transport und Lagerung. Um den Impfstoff effektiv verimpfen zu können, braucht es neben der gerechten Verteilung über Covax auch Aufklärung, geschultes Personal, Impfzentren usw.

Natürlich brauchen die ärmeren Länder auch Unterstützung bei der Bereitstellung von Tests, Diagnostika und – ganz wichtig – Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19-Patienten. Auch wenn das Impfen verständlicherweise derzeit im Mittelpunkt steht: Prävention, Diagnose, Behandlung und starke Gesundheitssysteme in allen Ländern sind wichtige Bestandteile der Bekämpfung dieser Pandemie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns in der Fraktion sehr viele Gedanken über die Machbarkeit unserer Forderungen gemacht. Herr Dr. Müller, Sie haben eine gute Handreichung dessen, was Sie jetzt tun können und müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Staaten, insbesondere der Industriestaaten, hinbekommen. Das wäre nicht nur in unserem ureigenen Interesse. Es wäre auch ein Akt der globalen Solidarität – etwas, das wir uns, wie ich eingangs sagte, mit viel Mühe über die Jahrzehnte aufgebaut haben und das wir unter keinen Umständen aus den Händen geben dürfen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Herrn Bundesminister Dr. Gerd Müller für die Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)