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21.04.2021

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor über zwei Jahren war ich mit anderen Kolleginnen und Kollegen eingeladen zu einer Veranstaltung hier in Berlin-Mitte in einem schicken Hotel, und zwar von einer Consulting-Agentur zu einer Tagung. Normalerweise nehme ich solche Einladungen nicht an; aber diese fand ich ganz interessant, weil der Titel sehr vielversprechend war. Er lautete nämlich: „Share Deals ade?“ Diese Veranstaltung war eine, die eigentlich auf Steuerberater abzielte. Warum wir in dem Verteiler waren, ist, glaube ich, nie ganz klar geworden. Die Steuerberater jedoch, die bei dieser Veranstaltung waren, sprachen über einen Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf hatte im Kern die Regelung, dass die Grenze für Share Deals von 95 auf 90 Prozent abgesenkt wird. Bei dieser ganzen Tagung ging es nur darum, wie man nun diesen neuen Gesetzentwurf wieder kreativ umgehen kann, um weiterhin keine Grunderwerbsteuer zu zahlen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!)

Ihr Gesetzentwurf ist deswegen Makulatur, weil die Finanzindustrie sich schon seit zwei Jahren darauf eingestellt hat. Er wird in der Praxis nichts ändern. Sie sind zu langsam, und Sie sind nicht konsequent genug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie schließen das steuerpolitische und wohnungspolitische Schlupfloch mit diesem Gesetzentwurf nicht.

Wenn man sich anschaut, was ein Einfamilienhaus in Baden-Württemberg heute kostet, und wenn man sich dann anschaut, dass man dafür Grunderwerbsteuer zahlen muss,

(Olav Gutting [CDU/CSU]: Die haben doch die Grünen in Baden-Württemberg erhöht!)

und wenn man sich dann anschaut, dass ein Paket von Wohnimmobilien anschließend getauscht wird und dabei kein Cent Grunderwerbsteuer anfällt, dann ist das eine schreiende soziale und steuerpolitische Ungerechtigkeit,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die heben Sie heute nicht auf. Und das wird von einer Partei verhindert, Herr Gutting, die sich eigentlich für die Eigentümer/-innen in diesem Land einsetzt.

Wenn Sie nun sagen, dass Sie hier in den Verhandlungen mit der SPD die Grunderwerbsteuerfreiheit eingebracht hätten, sage ich: Ich habe das zwischen den Reihen in den letzten Wochen und Monaten von den Kolleginnen und Kollegen der SPD nicht gehört,

(Zuruf von der CDU/CSU)

und ich glaube, dass Sie hier ein Märchen erzählen. Ich glaube, dass Sie eigentlich mit diesem Gesetzentwurf ganz zufrieden sind, weil er an der Realität nichts ändert, und das auch Ihre wahren Interessen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Olav Gutting [CDU/CSU]: Fragen Sie mal Ihre baden-württembergische Finanzministerin!)

Auch ich hätte mir da von den Ländern mehr erhofft – das sage ich ganz klar –, auch von den Ländern, in denen wir Grünen regieren. Ich glaube, deswegen müssen wir, die Interesse daran haben, dieses Schlupfloch wirklich zu schließen, gemeinsam in den nächsten Jahren weiter mit unseren Ländern sprechen, aber auch weiter hier untereinander sprechen.

Sie brechen letztlich das Versprechen im Koalitionsvertrag, die Share Deals zu beenden. Das haben Sie da ganz klar hineingeschrieben.

(Olav Gutting [CDU/CSU]: Nein, stimmt doch nicht!)

Sie brechen dieses Versprechen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nein!)

Die Steuerumgehungsmöglichkeit bleibt weiter bestehen, und das ist letztlich ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hebeln damit weiter kommunale Vorkaufsrechte aus. Sie sorgen dafür, dass die Länder 1 Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen haben. Das ist genau die Summe, die wir in diesem Land an Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Damit hätten wir wohnungspolitisch viele Neubauten im sozialen Wohnungsbau auf den Weg bringen können.

Ich sage Ihnen: Wären Sie auf das eingegangen, was wir vorgeschlagen haben, eine Absenkung auf 50 Prozent, dann wären City Grabbing und Land Grabbing in Deutschland endlich beendet worden.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Keine Lösungen! Machen Sie einen Vorschlag!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Für die SPD-Fraktion hat als Nächste das Wort die Kollegin Cansel Kiziltepe.

(Beifall bei der SPD)