Rede von Jürgen Trittin Handelspolitik

Foto von Jürgen Trittin MdB
10.11.2023

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden hier öfter Zeugen des Schaulaufens von Frau Klöckner und dem Herrn Spahn, der der eigentliche wirtschaftspolitische Sprecher ist. Aber eines eint Sie in Ihrer wirtschaftlichen Kompetenz:

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Der Oberwelterklärer erklärt uns jetzt mal die Welt!)

Sie stellen sich hierhin und kritisieren die Bundesregierung, den Bundeswirtschaftsminister, für einen zu hohen Anteil der Kohleverstromung. Sie verschweigen dabei, dass er betont, dass aufgrund des Emissionshandels das Ende der Kohle wahrscheinlich deutlich vor 2038 – angesichts der Zertifikatspreise möglicherweise sogar vor 2030 – stattfinden wird.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn Sie so weitermachen, laufen die noch bis 2040!)

Aber dann legen Sie hier einen Antrag vor, in dem Sie fordern, dass er weiterhin Kohlekraftwerke mit Exportkreditversicherungen versieht, mit Garantien.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Skandal! Eijeijei!)

Das ist die ganze Kompetenz, die Sie an dieser Stelle haben. Ich nenne das nicht „Kompetenz“, ich nenne das „Scheinheiligkeit und Bigotterie“, was Sie hier vorgeführt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich will an dieser Stelle noch eine weitere Anmerkung machen. Es gibt immer wieder den Versuch, eine Politik, die in Handelsabkommen internationale Normen integriert – und zwar nicht nationale, sondern internationale Vereinbarungen –, einer Haltung gegenüberzustellen, die dies als reinen Moralismus in der Außenwirtschaftspolitik denunziert. Dieser Widerspruch existiert nur auf den ersten Blick. Ich mache das an einem Abkommen fest, das Bundeskanzlerin Angela Merkel wesentlich mitangestoßen hat, nämlich das Comprehensive Agreement on Investment mit China. Darin gibt es eine Passage, in der die Chinesen verpflichtet werden, Regeln gegen Zwangsarbeit zu ratifizieren, und zwar die der Internationalen Arbeitsorganisation. Das ist inzwischen erfolgt. Das kann man jetzt für ausgemachtes Gutmenschentum halten – die AfD würde dazu neigen –; ich halte das für klug. Ich finde, es ist doch im Interesse unserer Wirtschaft, dass wir nicht mit Produkten konfrontiert werden, die auf dem Weltmarkt einen Vorteil haben, weil sie durch die Ausbeutung durch Zwangsarbeit produziert worden sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Eine solche Handelspolitik schließt eben auch an Regeln an wie die, die übrigens ein CSU-Minister im eifersüchtigen Wettstreit mit dem damaligen Sozialminister auf den Weg gebracht hat, nämlich das Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortsetzung dieses Lieferkettengesetzes, das wir heute als europäisches Recht haben. Auch dies sind Maßnahmen, die im globalen Wettbewerb dazu angetan sind, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Markus Töns [SPD]: Das will die Union nicht hören!)

Eine so verstandene Handelspolitik muss dann allerdings – da bin ich sehr deutlich – zu dem Ergebnis kommen, dass das, was jetzt mit Australien passiert ist, nicht im europäischen und nicht im deutschen Interesse ist. In einer Situation, in der der globale Wettbewerb über Technologien wie Digitalisierung, über Investitionen in CO2-freie Industrien, in erneuerbare Energien, in Batterietechnologien stattfindet, ein Abkommen mit Australien aussetzen zu müssen, weil man sich nicht in der Frage des Imports von Rindfleisch einigen kann, ist strategisch und wirtschaftspolitisch falsch. Da hätte ich mir gewünscht, dass Frau Klöckner gesagt hätte: Wir fordern die Europäische Kommission auf, ihre Haltung an dieser Stelle aufzugeben; es ist nicht im deutschen Interesse, dass versucht wird, die Agrarwirtschaft auf diese Weise zu schützen. – Das wäre mal eine klare Position gewesen. Aber das hätten Sie sich nicht getraut, weil Sie dann ja mit einer anderen Klientel von Ihnen ein Problem bekommen hätten.

Deswegen glaube ich, dass die Handelspolitik in den Händen von Robert Habeck und in den Händen der Kommission gut aufgehoben ist; denn wir haben im Kopf, dass es notwendig ist, im globalen Standortwettbewerb in der Frage der Transformation aller Volkswirtschaften der Welt über faire Handels- und faire Produktionsbedingungen zu verhandeln und dafür möglichst viele Bündnispartner zu finden.

Letzte Bemerkung.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Aber bitte kurz.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich würde mir wünschen, dass der Plan der Kommission, mit Indien noch vor Ende der Amtszeit dieser Kommission zu einem Handelsabkommen zu kommen, Wirklichkeit wird. Das wäre im europäischen und im deutschen Interesse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Reinhard Houben für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)