Rede von Ulle Schauws Hass und Hetze gegen LSBTI

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24.02.2021

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Thomas L. letztes Jahr vor den Augen seines Partners in der Dresdner Innenstadt ermordet wurde – der Partner überlebte schwerverletzt –, wurde erst mal geschwiegen: über die sexuelle Identität beider Tatopfer und über das mögliche Tatmotiv. Um es mit den Worten des Dresdner Oberstaatsanwalts zu sagen: Man äußere sich nicht zur sexuellen Orientierung von Tatopfern.

(Zuruf von der AfD: Wer das wohl war?)

Erst vor zwei Wochen hat die Generalbundesanwaltschaft dies korrigiert und wirft dem Angeklagten mittlerweile Mord aus Homofeindlichkeit vor. Aber die Worte des Oberstaatsanwaltes sind bezeichnend für den Umgang mit Homo- und Transfeindlichkeit. Frau Bundeskanzlerin, Herr Bundesinnenminister, Mitglieder der Bundesregierung: Warum haben Sie sich nicht geäußert? Warum blieben hier öffentliche Kondolenzbekundungen aus, die bei einem solchen Anschlag so wichtig und so richtig gewesen wären?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Wo waren Ihre Solidarität und Unterstützung für den Lebenspartner des Ermordeten aus meiner Heimatstadt Krefeld? All dies fehlt bis heute.

Meine Damen und Herren, ich sage es hier ganz klar: Der für die innere Sicherheit zuständige Minister hat bis heute noch nie eine homo- und transfeindliche Gewalttat öffentlich verurteilt oder gar ein Wort über die Sicherheit von LSBTI verloren. Die seit 1954 tagende Ständige Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister hat noch nie homophobe oder transfeindliche Gewalt auf die Tagesordnung gesetzt, selbst nach dem Tötungsdelikt in Dresden nicht. Dabei war die Innenministerkonferenz nur wenige Tage später.

(Zuruf von der AfD: Innenminister/-innenkonferenz!)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie diese Bemerkungen an dieser Stelle; es geht hier wirklich um eine ganz andere Situation.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie verhunzen unsere Sprache!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien, Schweigen macht auch die Gewalt unsichtbarer. Das muss sich ändern. Es muss selbstverständlich sein, dies zu benennen. Eine Regierung sollte bei Anschlägen innehalten und der Opfer gedenken, aller Opfer, ausnahmslos und selbstverständlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Denn, meine Damen und Herren, die Gewalt steigt an: Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sind unverhältnismäßig stark von Hassdelikten, Hetze und Gewalt betroffen. Das stellte die EU-Kommission im letzten Jahr fest und hat deswegen eine Gleichstellungsstrategie für queere Menschen bis 2025 vorgeschlagen.

Laut aktueller Statistik ist 2019 die Anzahl der erfassten Straf- und Gewalttaten gegen LSBTI im Vergleich zum Vorjahr um über 60 Prozent gestiegen, 2020 um weitere 40 Prozent. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass nur ein Bruchteil der LSBTI-feindlichen Gewalttaten überhaupt als solche erfasst wird. 13 Prozent der befragten Menschen in Deutschland berichten, dass sie in den letzten fünf Jahren gewalttätig angegriffen wurden, weil sie LSBTI sind. Meine Damen und Herren, das ist hochalarmierend und ein klarer Handlungsauftrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Darum appelliere ich an die Bundesregierung: Wir brauchen endlich eine wirksame Strategie gegen LSBTI-feindliche Hasskriminalität. In unserem grünen Antrag schlagen wir eine solche umfassende Strategie vor. Gewalt gegen queere Menschen ist – egal von welcher Seite – zu verurteilen. Deswegen fordern wir die Umsetzung der Gleichstellungsstrategie der EU, eine bessere Forschung über und Erfassung von Hasskriminalität. Wir fordern Sensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen bei Justiz und Polizei, einen Ausbau und bessere Unterstützung der Beratungsstellen, eine Neuordnung der Strafzumessungstatsachen in § 46 StGB – und dies mit expliziter Benennung der LSBTI-Feindlichkeit – und die systematische Erneuerung des Volksverhetzungsparagrafen § 130 StGB.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt Zeit, zu handeln. Wir Grünen wollen über die Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam daran arbeiten,

(Beatrix von Storch [AfD]: Wir nicht! Wir wollen das auf keinen Fall! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir mit Ihnen auch nicht! Keine Sorge!)

dass sich jeder queere Mensch sicher fühlen kann – egal wie er liebt und wo er lebt.

Ich setze auf die Beratungen in den Ausschüssen, und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit in den demokratischen Parteien. An dieser Stelle, glaube ich, hat sich die Beratung mit dem rechten Rand dieses Parlaments erübrigt. Ich glaube, Sie sind total off bei diesem Thema.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Vielen Dank.

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Vielen Dank. – Und das Wort geht an Dr. Jan-Marco Luczak von der CDU/CSU-Fraktion.