Rede von Dr. Irene Mihalic Hasskriminalität und Gewalt gegen Frauen

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15.04.2021

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jeden dritten Tag bringt ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin um. Nach dem, was Frau von Storch gerade gesagt hat, findet die AfD das wohl normal. Dass aber das eigene Zuhause für Frauen damit zum gefährlichsten Ort auf der Welt wird, darf niemals Normalität werden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Gewalt gegen Frauen ist eine massive Gefahr für die innere Sicherheit, und dagegen müssen wir dringend etwas tun. Da ist es völlig unverständlich, dass Hassstraftaten gegen Frauen in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität noch nicht einmal gesondert erfasst werden, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Da hilft es nicht, zu sagen: Das müsste man mal irgendwie ändern. – Sie stellen die Regierung, Sie können einen solchen Missstand einfach beseitigen und zeigen, dass Ihnen die betroffenen Frauen in diesem Zusammenhang nicht egal sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn der Bundesinnenminister, wie er heute öffentlich gesagt hat, dazu mit den Ländern schon im Gespräch ist, dann verstehe ich nicht, warum Sie unseren Antrag, der genau dieses Anliegen unterstützt, im Innenausschuss mit der Begründung abgelehnt haben, dass eine Verbesserung der Datenlage angeblich gar nicht nötig sei. Frau Bär, da war leider nicht viel mit parteiübergreifendem Konsens, ganz im Gegenteil.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen endlich damit aufhören, Gewalt gegen Frauen als tragische Beziehungstaten und Familientragödien zu verharmlosen, wenn es eigentlich Hassverbrechen und Femizide sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es geht um Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Und wenn dieses Kriminalitätsphänomen im Dunkeln bleibt, dann werden wir es auch nicht angemessen bekämpfen können. Mit Blick auf Partnerschaftsgewalt fordern wir deshalb die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür einzusetzen, auch die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik zu verbessern. Wir müssen erfassen, zu welchem Zeitpunkt partnerschaftliche Gewalt stattfindet: während der Partnerschaft, im Trennungsprozess oder nach einer Trennung. Das ist ganz entscheidend, auch mit Blick auf mögliche Präventionsstrategien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Und wir brauchen endlich eine echte Opferstatistik, die Alter, Geschlecht und Tatmittel genau aufschlüsselt, genauso wie regelmäßige unabhängige Berichte über die objektive und subjektive kriminalitätsbezogene Sicherheit von Frauen in Deutschland; denn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen uns, dass sich über 30 Prozent der Frauen in Deutschland nachts auf der Straße nicht sicher fühlen. Ich finde, das kann uns nicht ruhig schlafen lassen. Wir müssen endlich mehr für die objektive und subjektive Sicherheit von Frauen tun, statt uns in tatenloser Betroffenheit zu ergehen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mit einer Verbesserung der Datenlage allein ist es selbstverständlich noch nicht getan. Die Gewalt gegen Frauen bricht sich längst auch in der digitalen Welt Bahn; darüber haben wir eben viel gehört. Stalking, Hassbotschaften, das Verbreiten privater Fotos und auch die Veröffentlichung privater Adressen spielen nicht nur bei Partnerschaftsgewalt eine Rolle. Frauen werden immer wieder Opfer rechter Hasskampagnen, die massive Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Ich möchte hier als Beispiel den Fall von Jasmina Kuhnke nennen, gegen die von Rechtsextremisten und Rassisten ein wahres Feuer aus Hass, Hetze und Gewaltandrohungen eröffnet wurde, sodass sie sich jetzt sogar gezwungen sah, mit ihren Kindern aus der eigenen Wohnung zu fliehen.

Solche Szenarien muss der Rechtsstaat sehr viel früher erkennen und mit angemessenen Maßnahmen eingreifen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Hier hinken wir in der Analyse, in der Gefahrenabwehr und in der Strafverfolgung noch meilenweit den Erfordernissen hinterher. Wir müssen den Kampf gerade auch gegen digitale Gewalt an Frauen endlich konsequent aufnehmen. Außerdem müssen wir gemeinsam mit den Ländern Sonderdezernate für Hasskriminalität bei den örtlichen Staatsanwaltschaften schaffen, Frauenhäuser und Frauennotrufe ausbauen und die Mitarbeiterinnen gezielt zum Thema „digitale Gewalt“ schulen.

Die Bedrohungslagen von Frauen sind komplex wie die Maßnahmen dagegen; aber man muss auch mal anfangen, etwas dagegen zu tun. Anfangen können wir, indem wir endlich Licht in das Dunkelfeld der Hass- und Gewaltkriminalität gegen Frauen bringen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Irene Mihalic. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Axel Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU)