Rede von Renate Künast Hasskriminalität und Rechtsextremismus

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18.06.2020

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat nicht erst mit Kassel, Halle und Hanau angefangen. Nein, seit Mitte der 90er-Jahre haben Rechtsextreme in diesem Land entschieden, sich neu zu organisieren, sich zu strukturieren, und einen Aufbau gewagt. Wir merken an vielen Stellen, wie sie versucht haben, sich neu zu organisieren. Viele Wessis, deren Namen ich hier nicht wiederholen will, sind in den Osten gegangen. Vieles ist passiert. Warum sage ich das? Ich sage das, weil ich den einen Schmerz immer habe, nämlich den, dass wir in der Gesamtheit leider so spät aufgewacht sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Amadeu-Antonio-Stiftung sagt uns: 208 Tote gibt es durch rechte, rechtsextreme Gewalt seit 1990. Wir haben das beschämend spät aufgegriffen. Das ist eines der wichtigsten Themen: Menschen müssen ihres Lebens sicher sein, egal wo sie herkommen, welche Hautfarbe sie haben und welche politische Meinung sie haben. Die Würde ist unantastbar. Das muss für alle gelten.

Wie ist die Situation im Augenblick? Ich will nur zwei Fakten nennen: Zum einen werden Verschwörungserzählungen instrumentalisiert. Die Coronakrise, die Pandemie wird genutzt, um Hass und Hetze auf die Straße und weiter ins Netz bringen. Zum anderen fühlen sich viele Menschen, viele People of Colour unsicher in diesem Land. Das hat mit Rechtsextremismus gerade auf Netzebene zu tun. 63 Prozent der Frauen sagen, sie würden sich gar nicht mehr ins Netz wagen. Das haben wir alle sehr spät aufgegriffen.

Es ist gut, dass es jetzt entsprechende Gesetze gibt, dass nun endlich klar ist, dass die Aufgabe „Kampf gegen den Rechtsextremismus“ auch im BKA in den Mittelpunkt rücken muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Florian Post [SPD])

Uns liegt das am Herzen.

Aber ich muss Ihnen sagen: Die vorgelegte Umsetzung Ihrerseits hat zahlreiche Mängel und Leerstellen. Uns fehlt immer noch – ein entsprechender Antrag liegt vor – eine Gesamtstrategie, die Prävention, Opferschutz, Stärkung der Betroffenen und den flächendeckenden Aufbau von Beratungsstellen mit dem rechtlichen Ansatz verbindet. Uns fehlt im Übrigen auch, dass der Begriff „Rasse“ endlich aus dem Grundgesetz gestrichen wird. Das sind die Botschaften.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Unsere Verfassung ist nicht nur ein historisches Dokument; sie regelt auch unser heutiges Zusammenleben. Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz und eine Taskforce Rechtsextremismus.

Jetzt komme ich zu einem zentralen Punkt, den wir wirklich kritisieren. Das Gesetz sieht eine Meldepflicht vor – es ist gut, dass das Bundeskriminalamt endlich Lagebilder erstellen muss –, aber dass massenhaft Benutzerdaten ohne vorherige rechtliche Prüfung nur aufgrund einer Entscheidung von privaten Diensteanbietern ans BKA gehen und dort erst einmal bleiben, auch wenn das BKA den entsprechenden Vorgang nicht als Straftat qualifiziert, ist nicht in Ordnung. Deshalb haben wir im Ausschuss einen Änderungsantrag gestellt; denn es geht auch anders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ginge mit einem zweitstufigen Verfahren: ein Quick Freeze der Daten und erst dann, wenn es weitergeht, werden die Daten an das BKA weitergegeben. Die Sachverständigen in der Anhörung haben sich auch dafür ausgesprochen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Kommen Sie bitte zum Schluss?

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hass im Netz ist dringend nötig, aber dieses Gesetz wird erst der Anfang sein. Wir lassen uns dieses Land nicht von Rechtsextremen nehmen und kaputtmachen, unsere Würde und unser Leben nicht nehmen. Ihnen, Herr Brandner, sage ich – mein letzter Satz im Futur II –: Wenn wir Ihre rechtsextremen Netzwerke und Ambitionen zerstört haben werden, das wird ein guter Tag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Ihre pädophilen Netzwerke!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Renate Künast. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Florian Post.

(Beifall bei der SPD)