Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2018: Arbeit und Soziales

18.05.2018

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Heil, es ist in der Tat richtig: Wir reden über den größten Einzeletat. Der Großteil der darin enthaltenen Mittel ist gesetzlich gebunden. Die Spielräume sind gering, und gleichzeitig sind es sehr große, verantwortungsvolle Themen, die wir hier bearbeiten.

Ich will mich auf zwei Themen konzentrieren. Das erste Thema ist die Arbeitsmarktpolitik. Sie haben in Ihrer Rede, Herr Minister, auch über die Optimierung der Arbeitsmarktförderung geredet. Das ist wichtig. Wenn man sich aber anschaut, was Sie machen, ist man sehr enttäuscht über Ihre Vorschläge.

Ich will das am Beispiel der Jobcenter konkretisieren. Nachdem der ganze Konfettiregen an großen Finanzversprechungen der GroKo sich irgendwie gelegt hat, stellt man fest: Der sozialdemokratische Arbeitsminister lässt die Jobcenter im Regen stehen. Sie führen das fort, was in den vergangenen Jahren immer zu den gleichen Fehlern geführt hat.

2009 wurde die Jobcenterfinanzierung gedeckelt; das war eine politische Entscheidung. Damit hat die strukturelle Unterfinanzierung angefangen. Seitdem hat auch die Sozialdemokratie Jahr für Jahr zugeschaut, wie Mittel aus dem Eingliederungstitel, wo es um Arbeitsmarktförderung geht, permanent auf die Verwaltungstitel übertragen werden mussten. Die Leidtragenden des Ganzen waren die Arbeitslosen, die auf Förderung angewiesen waren. Sie haben zugeschaut! Der sozialdemokratische Finanzminister ignoriert das einfach. Der sozialdemokratische Arbeitsminister unternimmt nichts, um das zu verändern. Wir reden inzwischen über ein Defizit von 1 Milliarde Euro in diesem Bereich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle fordere ich von Ihnen etwas mehr sozialdemokratisches Gewissen.

Die Bundesagentur für Arbeit, Mitwisser in diesem Spiel, fordert nun mehr Geld. Das ist eigentlich viel zu spät. Aber was wir hier hören, ist ein Hilfeschrei. Wenn wir wollen, dass das Kerngeschäft der Arbeitsförderung läuft, müssen wir hier Geld in die Hand nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt im Bereich der Arbeitsmarktförderung war bislang ein Tabu, das nun gefallen ist; das ist gut. Das ist der soziale Arbeitsmarkt. Wir Grüne haben dazu über viele Jahre sehr viele Anträge und gute Vorschläge eingebracht. Jetzt sind Sie endlich auch auf den Trichter gekommen, dass da etwas geschehen muss. Erkenntnisgewinn ist zunächst einmal ganz gut. Aber Ihr Konzept fehlt. Sie machen Willensbekundungen. Aber dafür, wie das finanziert werden soll, sind Sie gerade auch uns Haushältern ein Konzept schuldig. Wie ich erfahren habe, gibt es in der SPD mehrere Konzepte. Finanzieren können wir nur eines davon. Aber wir sind gerne bereit, Sie bei den Beratungen zu unterstützen. Sie sollten nur auch bald ein Konzept vorlegen, wenn schon in diesem Herbst Mittel fließen sollen, und es nicht bei verbal geäußerten Ideen belassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden irgendwann ein Konzept vorlegen. Dann wird das Ganze starten. Sie reden von 4 Milliarden Euro. Ein Blick in den Haushalt zeigt aber: Weil das Ganze so spät startet, werden Sie vermutlich nur 3,2 Milliarden Euro in dieser Wahlperiode ausgeben. Dann bleibt Geld übrig. Sie könnten die Chance ergreifen und mit dem übriggebliebenen Geld den Eingliederungstitel stärken. Das machen Sie aber nicht. Was machen Sie denn eigentlich mit dem Geld? Warum investieren Sie es nicht dort, wo es am meisten benötigt wird? Was wird mit diesem Geld passieren? Gehen Sie dorthin, wo Sie Verantwortung haben, und schauen Sie nicht weg!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zweite große Thema ist die Rente; das haben meine Vorredner zu Recht angesprochen. Ich würde gerne mit Ihnen über ein Rentenkapitel beraten – als Haushälterin kann ich Ihnen jede Ziffer aufzählen –, wenn es nur etwas zu beraten gäbe. Es gibt aber nichts zu beraten. Sie reden von einer doppelten Haltelinie bis zum Ende dieser Legislaturperiode als riesengroßen Erfolg. Sorry, aber bis zum Ende dieser Legislaturperiode brauche ich keine doppelte Haltelinie. Das belegen die Zahlenprognosen. Sie verändern überhaupt nichts. Am Ende der Legislaturperiode fangen die Probleme aber erst an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Dann beginnen die Kostensteigerungen. Dann werden wir die Marke von 100 Milliarden Euro bei den Bundeszuschüssen zum ersten Mal überschreiten. Dann werden wir sehr wohl über Generationengerechtigkeit diskutieren müssen und darüber, wie wir das Ganze finanzieren.

Ehrlich gesagt, Sie von der CSU, die Sie sich permanent im Wahlkampf befinden und sich auf Symbolpolitik versteifen, helfen mit Ihrer Mütterrente in der Sache nicht weiter. Sie stellen hier einen offenen Scheck auf die Zukunft aus, ohne zu sagen, wie das alles finanziert werden soll, es sei denn, dass die Beitragszahler wieder die Leidtragenden sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wie Sie das unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen wollen, verstehe ich bislang überhaupt nicht. Im Übrigen werden die meisten der kostenintensiven Koalitionsversprechungen erst 2021/22 so richtig auf den Haushalt durchschlagen. Aber finanzieren sollen das bis dahin andere. Ja, das ist eine Herausforderung. Aber die Grünen hätten Ideen, wie diese Probleme zu lösen sind.

Jetzt haben wir noch die Rentenkommission. Diese soll erst in zwei Jahren einen Bericht vorlegen; darauf bin ich gespannt. Ich würde auch gerne an die versprochene Grundrente glauben. Aber irgendwie fehlt mir das Vertrauen. Es gab schon einmal das große Projekt einer Lebensleistungsrente. Das ist irgendwie verpufft. Davon hört man irgendwann gar nichts mehr. Daher: Verzeihen Sie mir, aber an Ihre Grundrente glaube ich nicht. Da glaube ich eher an meine Fraktion.

(Lachen bei der SPD)

Herr Minister Heil, Ihr Etat ist wichtig für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft. Wenn wir Sie kritisieren, dann ist das Unterstützung für Sie; denn Sie müssen sich durchsetzen bei Ihrem Finanzminister, ja, auch mit guten Ideen. Aber an erster Stelle müssen Sie auch Ideen äußern. Darauf warten wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)