Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2018: Auswärtiges Amt

16.05.2018

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin ­Malsack-Winkemann, ehrlich gesagt, war ich über Ihre Rede hier ziemlich entsetzt. Sie sind Juristin. Sie sollten wissen: Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Wir erstellen den Etat. Wir machen die Vorlagen. Wir beschließen den Etat. Das ist unser Auftrag. Wir müssen uns selbst ernst nehmen und uns damit befassen und dürfen das nicht an das Ministerium zurückgeben und sagen, sie hätten das vorzubereiten. Das ist unser Auftrag.

Das, was Sie hier präsentiert haben, zeugt, ehrlich gesagt, davon, dass Sie es selbst nicht ernst nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie als Richterin dann noch von mir einen Tipp wollen: Artikel 110 Grundgesetz oder die Bundeshaushaltsordnung helfen in diesen Fragen weiter.

Das Zweite. Sie sagten, die Parlamentarier könnten die Aufgaben des Ministeriums nicht ausreichend kontrollieren. Sie als Hauptberichterstatterin haben ohne Einbeziehung der anderen Berichterstatterinnen und Berichterstatter alleine – nach dem Kollegialprinzip wäre eine solche Einbeziehung eigentlich üblich gewesen im Bundestag – alleine neun Stunden mit Mitarbeitern des Haushaltsreferates des Auswärtigen Amtes verbracht. Sie haben unzählige Fragen geäußert und schriftlich alles Erdenkliche eingefordert. Ich habe die Fragen und die Antworten gelesen. Die Antworten des Auswärtigen Amtes waren gut. Wenn Ihr Erkenntnisgewinn daraus gleich null ist, dann liegt das nicht am Ministerium oder an den Antworten, sondern dann liegt das an Ihnen persönlich. Anders kann man das gar nicht beschreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])

Der dritte Punkt – das haben Sie hier verschwiegen –: Eigentlich hatten Sie eine Intention: Sie haben nach Möglichkeiten gesucht, wie Sie die Mittel des Etats kürzen können, insbesondere im Bereich der internationalen Organisationen und humanitären Hilfe. Nein, diese Mittel können Sie definitiv nicht kürzen.

Zunächst einmal deswegen nicht, weil wir gegenüber der UN in der Verpflichtung sind. Es gibt den humanitären Imperativ: Menschenleben retten! Dazu sind wir auch als Deutschland verpflichtet. Genau deshalb gibt es diese Zahlungen. Wir werden sie verteidigen, auch Ihnen gegenüber.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU] und Michael Georg Link [FDP])

Lesen Sie doch einfach mal die Zeitungen! Schauen Sie doch mal um sich herum! Reisen Sie meinetwegen! Machen Sie Ihre Augen auf! 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht, ein großer Teil von ihnen Kinder. Sie brauchen Unterstützung. Wir haben eine historische, wir haben eine empathische, wir haben eine politische Pflicht, diesen Menschen beizustehen, sie zu unterstützen, auch Fluchtursachen zu bekämpfen. Das ist unsere Verantwortung. Der müssen wir uns stellen. Genau darum geht es in dem Titel „Humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland“ in diesem Etat. Das gehört zur deutschen Verantwortung. Das muss man verteidigen und darf man nicht angreifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Sie, Herr Minister, haben ja gesagt, dass Sie für diesen Bereich mehr Mittel brauchen. Ich wünsche mir sehr, dass Sie die Ansätze noch steigern können. Es geht aber nicht nur darum, dass wir überhaupt Geld ausgeben, sondern es geht auch darum, wie wir das Geld ausgeben. Dadurch, dass wir mit dem Haushaltsplan so spät angefangen haben, ist uns natürlich Zeit verloren gegangen. Gerade unsere internationalen Bündnispartner, die humanitären Hilfsorganisationen, brauchen Verlässlichkeit. Sie brauchen die Mittelzusagen, sie brauchen sie aber auch frühzeitig. Leider Gottes kam da jetzt Bürokratie dazwischen. Das hätte nicht sein müssen, wenn Sie sich früher dahintergeklemmt hätten. Ich denke, der Haushaltsausschuss wäre da sogar kooperativ gewesen. Jetzt sind wir spät im Jahr dran, aber nichtsdestotrotz: Diese Mittel müssen nun fließen.

Die zivile Außenpolitik steht für uns Grüne im Zentrum. Gemäß Koalitionsvertrag sollen die Ausgaben für das Verteidigungsministerium sowie für das Auswärtige Amt und übrigens auch für das Entwicklungshilfeministerium eins zu eins steigen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Nein!)

Wenn man sich aber die Zahlen anschaut, muss man sagen: Versprochen – gebrochen. Das findet bei weitem nicht statt. Der Kollege Leutert hat ja auch über die mittelfristige Finanzplanung gesprochen. Beide Etats, der für Entwicklungshilfe und der für das Auswärtige Amt, sinken gemäß Finanzplanung. Im Bereich der Diplomatie und der Entwicklungshilfe bleiben wir jetzt schon weit hinter den Steigerungsraten der Militärpolitik zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einen weiteren Punkt, der hier angesprochen wurde, halte ich für wichtig. Ja, Ihr Etat ist in den letzten Jahren gestiegen, weil die Anforderungen an das Haus gestiegen sind. Das ist richtig. Beim Personal ist das leider nicht nachvollzogen worden. Jetzt wollen Sie einen Aufwuchs bei der Personalausstattung. Wir von den Grünen unterstützen Sie dabei; das muss sein. Ich wünschte mir aber, Sie wären auch ein bisschen mutiger und würden auch etwas mehr in die Personalreserve hineingeben. Wir sind nämlich von der guten Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen im Ausland abhängig, wenn es darum geht, die Lage vor Ort einzuschätzen. Übrigens sind wir gerade auch dann, wenn es um die Frage der Fluchtursachen geht, dringend auf die Berichte aus Ihrem Haus angewiesen.

Ein letzter Punkt, Herr Präsident, in den letzten Sekunden: die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Natürlich ist das wichtig. Das ist doch die Visitenkarte Deutschlands nach außen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Das Land der Dichter und Denker, das Land von Wissenschaft, Forschung und Innovation muss in die Institutionen in diesen Bereich investieren. Das sind die Goethe-Institute, das ist das Deutsche Archäologische Institut, das ist der DAAD. Die dürfen wir nicht zu knapp halten, sondern – ganz im Gegenteil – hier müssen wir unsere Werte der Freiheit ins Ausland exportieren. Und die Genannten sind unsere Träger dieser Werte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Sekunden sind Sekunden und keine Minuten. Kommen Sie bitte zu Ihrem letzten Satz.

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Hier ist viel zu tun, Herr Minister. Wenn es darum geht, dass Ihr Etat und die Entwicklungshilfe mindestens eins zu eins wie Verteidigung steigen, muss ich sagen: Hier ist viel Luft nach oben. Wir werden Sie beim Wort nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)