Rede von Sven-Christian Kindler Haushalt 2018: Verkehr und digitale Infrastruktur

15.05.2018

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Scheuer, Sie haben sich am Anfang Ihrer Rede gegen eine Verkehrswende ausgesprochen und Ihrem Vorgänger Herrn Dobrindt gedankt. Ich will nur einmal die Bilanz von Herrn Dobrindt aufzählen: Desaster bei der Pkw-Maut, Desaster beim BER, Dieselbetrug, massive Privatisierungen durch ÖPP, Chaos bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Ich sage Ihnen: Noch nie war es so notwendig, dass es einen Politikwechsel und eine Verkehrswende im Verkehrsministerium gibt wie jetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das saß!)

Ich habe leider keine große Hoffnung, Herr Minister, aber ich hoffe, dass nicht nur das CSU-Parteibuch Ihre Leitlinie in den nächsten vier Jahren sein wird, wie das bei Ihren Vorgängern Ramsauer und Dobrindt der Fall war. Es gibt große Herausforderungen und große Probleme, die man anpacken muss: saubere Luft in den Städten, ein guter öffentlicher Nahverkehr, Verlagerung der Güter vom Lkw auf die Schiene, Digitalisierung, Radverkehr, der Klimaschutz, der Schutz unserer Lebensgrundlagen. Die CO 2 -Emissionen sind in den letzten vier Jahren im Verkehrssektor deutlich gestiegen. Ich finde es daher erbärmlich, dass in der Rede des Verkehrsministers nicht einmal das Wort „Klimaschutz“ vorkam. So geht es nicht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zu den Zahlen im Haushalt 2018: Die Ansätze für die Schiene stagnieren. Es gibt keine Bewegung beim Radverkehr. Es gibt nicht mehr Geld für den ÖPNV. Milliarden für schnelles Internet werden nicht ausgegeben, weil es eine so große Bürokratie im Ministerium gibt. Was aber steigt, sind natürlich die Ausgaben für den Straßenbau. Es ist ja auch gerade Wahlkampf in Bayern; da will man viele Spatenstiche setzen. Aber mit Innovation und einer modernen Verkehrspolitik für das 21. Jahrhundert hat das wirklich nichts zu tun. Ich sage Ihnen: Das ist ein Haushalt für den Verkehr ohne Zukunft und mit Konzepten aus der Vergangenheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Ihre Verkehrspolitik völlig ideologisch ist, sieht man auch beim Thema der öffentlich-privaten Partnerschaften. Der Ansatz für öffentlich-private Partnerschaften steigt um 140 Millionen auf 600 Millionen Euro. Dabei wissen wir: ÖPP-Projekte im Straßenbau sind extrem teuer, unwirtschaftlich und intransparent;

(Reinhold Sendker [CDU/CSU]: Das ist völlig daneben!)

das hat der Rechnungshof in zahlreichen Untersuchungen sehr klar dargelegt. Von dieser Privatisierung profitieren vor allen Dingen große Unternehmen. Deswegen ist auch die mittelständische Bauwirtschaft dagegen und fordert einen Stopp von ÖPP im Straßenbau. Trotzdem wollen Sie weitere Millionen für ÖPP im Straßenbau verschwenden. Ich persönlich halte das für einen unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern. Wir Grüne sagen klar: ÖPP, Privatisierung im Straßenbau, muss verboten werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dass Ihre Verkehrspolitik von vorgestern ist, merkt man gerade beim Umgang der CSU mit dem Thema Dieselbetrug. Jeder weiß: Wenn wir wollen, dass die Luft in den Städten wieder besser wird und nicht krankmacht, und wenn wir Fahrverbote verhindern wollen, dann führt kein Weg an Hardwarenachrüstungen vorbei; das weiß jeder. Trotzdem stellen Sie sich gegen Hardwarenachrüstungen; Sie haben es heute erst wieder getan. Das zeigt ganz klar: Sie haben aus dem Dieselbetrug nichts gelernt. Sie, Herr Scheuer, werden am Ende der Minister sein, der für Fahrverbote verantwortlich war. So sieht es aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben hier gesagt, Sie hätten Bedenken. Kommen wir zu den Bedenken: Das Umweltbundesamt hat mit seiner wissenschaftlichen Expertise alle technischen, rechtlichen und finanziellen Bedenken ausgeräumt. Selbst Ihr eigenes Haus hat ein Gutachten in Auftrag gegeben – das wollten Sie verstecken –, und zwar bei Georg Wachtmeister, dem Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München, einem Freund des Verbrennungsmotors. Er hat Ihnen dargelegt, dass Hardwarenachrüstungen technisch und rechtlich und zu vertretbaren Preisen von 1 000 bis 3 000 Euro pro Auto auch finanziell möglich sind. Das heißt, Hardwarenachrüstungen sind möglich. Man muss es eben nur wollen. Und darum geht es: Sie wollen es politisch nicht. Sie wollen es nicht, weil Ihnen – das sage ich Ihnen einmal sehr hart – im Kern die Eigentumsinteres­sen der Familien Pi ë ch, Porsche und Quandt wichtiger sind als das Gemeinwohl und die Luft in den Städten. So geht es nicht, sage ich Ihnen, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zum Thema Finanzierbarkeit. BMW, VW und Daimler haben 2016/2017 insgesamt 60 Milliarden Euro Gewinn gemacht. 60 Milliarden Euro! Und Sie sagen uns, Nachrüstungen seien nicht finanzierbar. Natürlich ist das finanzierbar, und natürlich müssen die Verursacher dieses Betrugs auch dafür geradestehen. Natürlich müssen sie auch die Zeche zahlen und die Hardwarenachrüstungen finanzieren. Das ist doch das Mindeste, was wir von der Politik aus verlangen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es ist übrigens auch so, dass die Europäische Kommission Klage gegen Deutschland eingereicht hat, weil Sie im Verkehrsministerium gegen europäisches Recht verstoßen, und das seit Jahren, da Autos mit betrügerischen Abschalteinrichtungen zurückgeordert werden und Sanktionen gegen die Automobilhersteller von bis zu 5 000 Euro verhängt werden müssen. Sie haben das in den letzten acht Jahren nicht gemacht. Auch hier muss man sich fragen, was das eigentlich für den Rechtsstaat bedeutet. Jeder kleine Falschparker wird mit einem Bußgeld belegt, aber die großen Autokonzerne können schamlos weiterbetrügen, Recht und Gesetz brechen und müssen keine Sanktionen befürchten. Ich finde es verheerend für den Rechtsstaat, was Sie im Verkehrsministerium machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Diese Kumpanei, die es im Verkehrsministerium zwischen Politik – vor allen Dingen vonseiten der CSU – und der Autoindustrie gibt, muss endlich enden! Wir brauchen einen Verkehrsminister, der auf der Seite der Menschen in den Städten, die gesunde Luft wollen, und auf der Seite der Dieselfahrer, die betrogen wurden, steht! Wir brauchen keinen Verkehrsminister Scheuer, der auf der Seite der Autoindustrie als Lobbyminister steht! Das muss sich ändern!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)