Rede von Katja Keul Haushalt 2018: Verteidigung

16.05.2018

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Streitkräfte hat, muss sie auch vernünftig ausstatten. Das will hier sicher niemand in Abrede stellen, nicht einmal die Linken. Mehr Geld ist aber ganz offensichtlich nicht die Lösung.

Wie oft haben wir erleben müssen, dass Milliarden für teure Neuentwicklungen in den Sand gesetzt worden sind, weil die Industrie nicht vertragsgemäß geliefert hat und dennoch nie dafür haftbar gemacht wurde! Ich denke an den A400M oder den Euro Hawk, den es bis heute nicht gibt. Wie viele Milliarden hat Airbus/EADS dafür am Ende jetzt eigentlich bekommen? Wir haben uns damals im Untersuchungsausschuss schon sehr über die Verträge gewundert. Da war nicht zu erkennen, dass irgendjemand ernsthaft versucht hätte, die Interessen des Staates gegenüber der Industrie bei den Vertragsverhandlungen durchzusetzen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist ja nun anders!)

Wenn das Beschaffungssystem aber nicht funktioniert, dann darf man auch nicht mehr Geld in das kaputte System geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus Erfahrung lernen hieße, öfter einmal Geräte von der Stange zu kaufen, als immer auf eigene Neuentwicklungen zu setzen. Für die Industrie ist das vielleicht nicht immer so lukrativ. Aber das darf nicht unsere Sorge sein. Der Staat ist für die Ausrüstung der Streitkräfte zuständig und nicht für die Gewinne der Rüstungsindustrie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das scheint nicht immer allen klar genug zu sein.

Im Moment laufen gerade staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Privatisierung der Heeresinstandsetzungslogistik. In wessen Interesse ist diese Privatisierung eigentlich? Ich befürchte: nicht im Interesse des Steuerzahlers und auch nicht im Interesse der Bundeswehr.

(Zuruf von der LINKEN)

Es ist den deutschen Panzerherstellern verständlicherweise ein Dorn im Auge, dass sie kein Monopol auf die Reparatur und die Ersatzteilbeschaffung haben. 70 Prozent des Geschäfts haben sie sich ohnehin schon gesichert, indem sie die Großgeräte schon seit Jahren ohne Reparaturbefugnis, also quasi ohne Bedienungsanleitungen, verkaufen. Ein Drittel der Arbeiten werden bislang aber immer noch durch Bundeswehrangehörige selbst erledigt, die sich bei Werkstätten auf dem freien Markt nach dem günstigsten Angebot umsehen. Wie kann jemand ernsthaft glauben, dass es für die Bundeswehr wirtschaftlicher wird, wenn man sich zu 100 Prozent von Rheinmetall und Co abhängig macht und die dann die Preise so diktieren können, wie sie wollen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stoppen Sie diesen Verkauf der Heeresinstandsetzungslogistik, solange es noch möglich ist!

Neben den strukturellen Defiziten bei der Materialbeschaffung sehe ich aber auch noch ein strategisches Defizit. Wir hören von allen Seiten, dass inzwischen sämtliche Ressourcen für die Erfüllung der Auslandseinsätze benötigt werden und deswegen für Ausbildung, Übung und Training im Inland nichts mehr übrig bleibt. Ja ist es denn ein Wunder? Die Bundeswehr ist derzeit in elf Auslandseinsätzen weltweit im Einsatz. Gerade erst wurde hier im Bundestag ein neues Mandat für den Gesamtirak beschlossen – erst einmal nur bis zum Herbst, weil bisher niemand die Strategie kennt und man dann erst einmal weitersehen muss.

(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielleicht müsste man auch einmal Schwerpunkte und Prioritäten bei der Frage der Auslandseinsätze setzen. Immer und überall Bündnisfähigkeit unter Beweis stellen zu wollen, könnte am Ende das Gegenteil bewirken. Bestes Beispiel für ein katastrophales Preis-Leistungs-Verhältnis ist der aktuelle Afghanistan-Einsatz. Für die Absicherung von sage und schreibe gerade einmal 33 Advisors, also Beratern, brauchen wir dort inzwischen über 1 000 Soldatinnen und Soldaten. So ein Einsatz bindet Kräfte, die nicht im Verhältnis zur erzielten Wirkung stehen. Beenden Sie vor allem die Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Luftkrieg über Syrien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Man kann die Bundeswehr nicht bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit in Auslandseinsätze schicken und sich dann wundern, dass zu Hause nichts mehr funktioniert. Auch für die Einsätze, die wirklich unsere volle Aufmerksamkeit benötigen, wie beispielsweise der UN-Einsatz in Mali, wäre es besser, wir würden uns darauf konzentrieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wäre es für die Akzeptanz der Streitkräfte in der Bevölkerung von Vorteil, wenn diese sehen könnte, dass ein Einsatz mal wirklich erfolgreich eine Befriedung fördern würde und es nicht überall gleich schlecht läuft.

Damit das klar ist: Das ist keine Kritik an der Arbeit der Soldatinnen und Soldaten, die nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Auftrag zu erfüllen. Die Kritik richtet sich an die politische Führung, die für einen erfüllbaren Auftrag und eine Gesamtstrategie verantwortlich ist. Beides ist nicht zu erkennen. Daran ändert auch mehr Geld nichts.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)