Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2019 für Arbeit und Soziales

23.11.2018

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Lassen Sie mich mit einem Dankeschön anfangen. Wir reden hier über den größten Etat und die intensivsten Berichterstattergespräche. Wir als Berichterstatter haben zwei ganze Tage getagt, bis wir einmal durch den Etat durch waren. An dieser Stelle Danke schön an alle Mitberichterstatter! Die Tatsache, dass wir als Berichterstatter am Ende viele Veränderungen im Einvernehmen gemeinsam beschlossen haben, ist auch ein Hinweis darauf, dass erstens der Haushalt eine Königsdisziplin sein kann und dass zweitens das Zusammenarbeiten an der Stelle sehr gut funktioniert. Danke dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das Gute ist, dass Sie tatsächlich auch ein paar Ideen von uns, der Opposition, übernommen haben. Endlich ist mal Bewegung in die Stagnation bei den Jobcentern gekommen; das ist gut. Ich will hier zwei Punkte herausstellen:

Erstens. Sie bewegen sich im Bereich des sozialen Arbeitsmarkts. Das wurde von uns ja lange gefordert; wir hatten Jahr für Jahr Anträge dazu. Jetzt passiert da was; das ist gut. Es ist ein bisschen gedämpft, weil Sie das Ganze mit einem datierten Ende versehen haben. Besser wäre es gewesen, sich mal darauf einzulassen, um tatsächlich erst mal losmarschieren zu können; aber wir werden ja sehen, wie das dann am Ende aussieht.

An dieser Stelle die Forderung, Herr Minister: Machen Sie bitte alle Entwicklungsschritte transparent. Wir werden an der einen oder anderen Stelle noch an den Schrauben drehen und vielleicht auch Anpassungen vornehmen müssen, und wir sollten die Gelegenheit haben, hier in diesem Bundestag tatsächlich auch darüber zu diskutieren und Korrekturen vorzunehmen. Das gilt auch für den Aktiv-Passiv-Transfer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Sie gehen endlich mal die chronische Unterfinanzierung der Jobcenter an; das finde ich wichtig. Sie machen hier ein kleines bisschen. Ich habe hier ja Jahr für Jahr wie eine kaputte Schallplatte immer wieder gefordert, dass da was passieren muss. Jetzt passiert da endlich mal was, und ich bin mir ganz sicher, dass das richtig ist, weil der Jahresabschluss 2018 genau meine Aussage bestätigen wird: Wenn wir wollen, dass die Jobcenter die Menschen auch fördern, müssen wir ihnen auch Luft zum Atmen geben, damit sie auf die Menschen auch eingehen können und Zeit für eine gute Beratung haben. Es gilt, nicht primär zu sanktionieren und zu fordern, sondern Fördern muss im Vordergrund stehen. Deshalb brauchen wir dort diese Luft zum Atmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle ein Wort zur FDP – ich kann es an dieser Stelle einfach nicht lassen –: Sie haben jetzt eine Mittelerhöhung für das Bildungs- und Teilhabepaket gefordert. Das finde ich super. Wir haben einen solchen Antrag ja auch eingebracht, und Sie legen Ihren eigenen Antrag nochmals vor – umso besser. Doppelt hält vielleicht besser und ist überzeugender, und dem stimmen wir dann auch zu usw. Bei den Eingliederungstiteln – und das gehört auch dazu – wollen Sie aber eigentlich eine Kürzung.

Was bedeutet das denn? Das heißt entweder, dass Sie den neuen Instrumenten einfach nicht vertrauen und von vornherein davon ausgehen, dass sie schiefgehen.

(Otto Fricke [FDP]: Nein!)

Dann kann man das Geld gleich kürzen. – Aber kann man das wollen? Kann man wirklich wollen, dass eine Sozialmaßnahme schiefgeht? Was sagt das dann über die Gesinnung aus? – Oder das heißt für Sie, dass jedes Geld, das für den Bereich Soziales ausgegeben wird, falsch ausgegebenes Geld ist; das wäre, ehrlich gesagt, noch schlimmer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne denke ich mir manchmal: „Liberal“ heißt auch, Chancen zu schaffen. Das muss Bestandteil eines aktivierenden Sozialstaats sein. Von daher finde ich es richtig und wichtig, dass wir jetzt manche Debatten führen, auch wenn sie uns herausfordern. Dazu gehört auch, zu fragen: Wie entwickeln wir dieses System weiter?

(Michael Theurer [FDP]: Genau!)

Wir müssen diese Debatten führen, auch wenn sie schmerzhaft sind. Sie werden uns am Ende gemeinsam voranbringen. In diesem Sinne finde ich auch den Vorstoß von Robert Habeck gut, endlich mal inhaltlich zu diskutieren und uns nicht nur mit uns selbst zu beschäftigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Theurer [FDP]: Haben Sie denn einen Finanzierungsvorschlag, Frau Kollegin?)

– Ja, genau das müssen wir ja besprechen, Herr Kollege. Es ist unser Job als Abgeordnete, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir alles besser machen können. Wir dürfen nicht stillstehen. Fortschritt heißt eben nicht „Weiter so“. Zum Fortschritt gehört auch, mal Debatten zu wagen und auch zu führen. Ich weiß gar nicht, warum Sie ein Problem damit haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Kinderarmut wird mein Kollege nachher noch viel ausführen.

Ich komme zu meinem letzten Punkt, dem Rentenpakt. Sie tun so, als ob Sie die Rentenfrage mit Ihrer Mütterrente I und II und der doppelten Haltelinie beantwortet haben. Haben Sie nicht. Nein, Sie verstecken sich hinter Ihrer neuen Demografiereserve. Am Ende Ihrer doppelten Haltelinie fangen die eigentlichen Probleme doch erst an. Darauf haben Sie gar keine Antworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann wieder und immer wieder fragen – irgendwie ist es wirklich seltsam, dass da nichts kommt –: Wann kommt endlich Ihr Vorschlag zur Grundrente? Das Kind hieß schon einmal anders. Zurzeit sind wir bei dem Namen „Grundrente“. Die einzige Kontinuität ist: Wir warten, warten und warten auf Ihren Vorschlag, und es kommt, kommt und kommt nichts. Da kann ich nur sagen: Die Grünen haben da mit der Garantierente einen hervorragenden Vorschlag gemacht. Wir stellen ihn Ihnen gern zur Verfügung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wichtigste ist: Machen Sie endlich was! Fortschritt bedeutet eben nicht eine Politik des Weiter-so, Fortschritt bedeutet, die Dinge zu verändern. Haben Sie den Mut, nicht nur über die Dinge zu reden, sondern auch die Dinge richtig anzupacken, und zwar so, dass davon etwas bei den Menschen ankommt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)