Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2021 - allgemeine Finanzdebatte

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08.12.2020

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir stellen einen Haushalt auf in einer ungewöhnlichen Zeit, unter ungewöhnlichen Umständen. Ja, noch nie wurde einem Haushalt so viel Beachtung geschenkt wie in diesem Jahr, und noch nie wurde damit auch so viel Hoffnung verbunden. Ich kann Ihnen jetzt aber schon sagen: „Noch nie wird so viel Enttäuschung damit verbunden sein“, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie machen sicherlich das Notwendige – auch das Richtige –; aber es fehlt die Vision, es fehlen die Ziele, Sie sagen nicht, wie es weitergehen wird. Sie wissen noch nicht einmal, wie dieses Jahr aussehen soll, geschweige denn nächstes Jahr. Das ist es, was die Menschen in diesem Land am meisten enttäuschen wird.

Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele. Ganz viele Redner der Koalition haben gesagt, was für tolle Dinge sie in Sachen Zukunftsinvestitionen machen. Da frage ich mich: Warum fließen dann die Mittel nicht ab? Sie produzieren eine Überschrift nach der anderen. Wenn es aber dann um die Umsetzung geht, versagen Sie.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach nee!)

Warum sind die Mittel gesperrt? Warum fließen die KI-Mittel nicht? Was ist mit der Wasserstofftechnologie, bei der niemand etwas mitkriegt, dass es Mittel dafür gibt? Was ist mit dem Ausbau der Ganztagsschulen und der Digitalisierung in den Schulen? Warum ist der Mittelabfluss so gering? Das sind doch Fragen, die Sie sich stellen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen das auch. Nicht umsonst haben Sie in der Bereinigungssitzung eine Sperre nach der anderen verfügt, insbesondere beim Haushalt von Frau Karliczek. Sie trauen der Ministerin selber nicht zu, dass sie in der Lage ist, die Mittel auszugeben;

(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie wollen im Haushalt eine stärkere Kontrolle. Aber Ihre Innovationspolitik ist: viel Überschrift, nichts dahinter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Sache ist mir bei der Debatte auch aufgefallen. Ich finde es sehr spannend, wenn die FDP hier davon redet, dass sie 500 Änderungsanträge gestellt hat. Da muss ich schon schmunzeln. Vor zwei Wochen gab es hier eine Debatte um den Ausbau der Ganztagsschulen, und da hat der Kollege Seestern-Pauly hier ganz laut gefordert – übrigens auch in einem Antrag an einer anderen Stelle –, dass es mehr Mittel für den Ganztagsschulausbau und eine Betreuungsgarantie braucht. Am gleichen Tag in einem anderen Raum hat die gleiche Fraktion zwei Anträge eingereicht, nach denen alle Ganztagsschulmittel im Einzelplan 17 und 30 gestrichen werden sollen.

(Otto Fricke [FDP]: Und warum? Und warum?)

Die rechte Hand weiß nicht, was die linke Hand macht. So definieren Sie Ihre 500 Änderungsanträge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Sie müssen sich schon einmal klar werden, was Sie eigentlich wollen. Im Plenum fordern, aber im Ausschuss streichen!

Ja, für uns Grüne gibt es tatsächlich eine Idee, eine Vision, weil wir wissen, dass wir die Herausforderung der Pandemie angehen müssen. Ehrlich gesagt, finde ich es sehr zynisch, die Pandemie hier kleinzureden. Ich denke mir jedes Mal: Was denken eigentlich die Menschen, die drüben in der Charité liegen? Was denken eigentlich die Familien, die Angst haben, ihre Angehörigen zu verlieren? Deshalb ist das Kleinreden der Pandemie falsch. Aber nach der Pandemie – besser wäre gewesen, schon vor der Pandemie – müssen wir die eigentlichen Fragen, die sich nach wie vor stellen, lösen. Unsere Prioritäten sind: Klimakrise überwinden, Klimaschutz voranbringen und soziale Gerechtigkeit in diesem Land voranbringen. Ihre Antwort ist immer noch, Plastik in diesem Land zu bezuschussen und schmutzigen Diesel zu subventionieren. Das sind keine zukunftsträchtigen Antworten. Auch Kinderarmut ist eine offene Wunde in Ihrer Sozialpolitik; auch da machen Sie nichts.

(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Herr Minister, nicht nur ankündigen, sondern umsetzen, nicht nur Wahlkampf machen, sondern auch Minister sein – das ist unsere Forderung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Welcher Minister war jetzt gemeint?)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Hans Michelbach, CDU/CSU, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)