Rede von Markus Kurth Haushalt 2021 - Einzelplan Arbeit und Soziales

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02.10.2020

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass diese Krise mehr ist als nur eine Gesundheitskrise. Diese Coronakrise legt offen, dass wir in einer Zeit des Wandels, in einer Zeit der unumkehrbaren Veränderung leben. Die großen Schwungräder der gesellschaftlichen Veränderung – Digitalisierung, demografischer Wandel und die Auseinandersetzung mit der existenzgefährdenden Klimaerhitzung – waren natürlich schon vorher da. Aber nun verdichtet sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung der Eindruck, auch in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass es keine Rückkehr in die Welt von gestern gibt.

Beispielsweise haben Firmen und Großkonzerne die Erfahrung gemacht, dass sie bei Dienstreisen Hunderte von Millionen einsparen können, wenn ihre Angestellten für ein halbtägiges Meeting nicht mehr um den halben Globus fliegen. Das wird auch nicht mehr so zurückkommen. In vielen anderen Bereichen ist dies ähnlich oder genauso.

Das kann uns einerseits vielleicht beklemmen; aber das bietet uns auch Chancen und Möglichkeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wir wollen eine Welt qualitätvoller Arbeit, nachhaltiger Produktion, nachhaltiger Dienstleistungen und menschenwürdiger Lebensbedingungen – dort wollen und müssen wir hin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daran haben uns auch erst letzte Woche wieder die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen erinnert, die bei Fridays for Future auf die Straße gegangen sind und zu Recht gesagt haben: Wenn ihr nichts tut, dann klaut ihr uns die Zukunft, und darum sind wir laut!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was bedeutet dies hier für uns hinsichtlich des Etats für Arbeit und Soziales? Das bedeutet, dass wir einen ganz anderen Blick, einen strukturell anderen Blick auf das Thema Sicherheit haben müssen, und damit auf universelle, inklusive und solidarische Systeme sozialer Sicherung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn nur, wenn es eine Verlässlichkeit in der Absicherung gibt, werden die Menschen diesen Wandel mitgehen, und nur dann, sehr geehrter Johannes Vogel, werden sie im Übrigen auch Risiken auf sich nehmen, selbstständig werden und sich als Freelancer auf den Weg machen.

Gerade die Selbstständigen beispielsweise merken jetzt, was für einen Wert eine Sozialversicherung auch für sie hätte,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

was es für einen Wert hätte, wenn sie in der gesetzlichen Rentenversicherung wären. Dann würden nämlich ihre Ansprüche insolvenzgeschützt und pfändungssicher sein. Sie würden auch gerne leichter in der Arbeitslosenversicherung unterkommen; dann hätten sie jetzt eine solide Einkommensversicherung in der Krise.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich teile ja Ihre Analyse, dass die Bundesregierung leider bei ihren Soforthilfen nicht den Lebensunterhalt von Selbstständigen mit bedacht hat; da sind wir völlig einig. Aber die Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen, ist eine andere als die, die Sie ziehen.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das ist gut! Führen Sie weiter aus!)

Wir wollen nämlich mit der Bürgerversicherung eine universelle soziale Sicherung, mit der eben auch die Selbstständigen geschützt sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Rentenversicherung ist keine Versicherung gegen Altersarmut. Auch sie ist in erster Linie eine Einkommensversicherung, die den Menschen Sicherheit gibt,

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

damit sie den Wandel und dieses Jahrhundert der Erschütterung aushalten und damit sie den Weg in eine nachhaltige Zukunft auch wirklich schaffen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Systeme sozialer Sicherung müssen proaktiv sein und dürfen nicht nur reagieren. Da gab es von Ihnen, Herr Minister, Andeutungen, die ich begrüßt habe; aber da müssen wir natürlich viel, viel weiter kommen. Wir brauchen eine Arbeitsversicherung, die den Wandel positiv aufgreift, die die Menschen bei Weiterbildung unterstützt und ihnen den Lebensunterhalt sichert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann können wir es schaffen, einen Strukturwandel in eine nachhaltige Zukunft zu erreichen. Diesen grundlegend anderen Blick, den brauchen wir.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Stephan Stracke.

(Beifall bei der CDU/CSU)