Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2021 - Einzelplan Arbeit und Soziales

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

11.12.2020

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ja, es ist richtig: Wir haben einen starken Sozialstaat. Aber das ist nichts Statisches, das ist auch kein Selbstläufer, und es ist erst recht keine Selbstverständlichkeit. Man muss auch etwas dafür tun, dass der starke Sozialstaat stark bleibt. Und da, finde ich, tun Sie zu wenig, und das will ich Ihnen in meiner Rede hier zeigen.

Ich fange mit dem Thema Rente an. Es ist nicht so sehr im Fokus, aber es wird uns wieder einholen. Vieles von dem, was bei der Rente auf uns zukommt, war eigentlich schon vor der Krise klar, und da haben Sie auch schon zu wenig gehandelt. Sie haben die Finanzierungsprobleme einfach in die Zukunft geschoben.

Ich mache es konkret: Für die Mütterrente werden 11 Milliarden Euro im Moment komplett aus der Rentenkasse, von den Beitragszahlerinnen und ‑zahlern, finanziert. Darauf haben Sie immer noch keine Antwort. Der Demografiebeitrag – es geht um 2 Milliarden Euro –, der ja hätte kommen sollen, ist jetzt aus dem kommenden Etat gestrichen, und zwar komplett. Das heißt, Sie haben uns zwar etwas in Aussicht gestellt, aber Sie halten das nicht ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Rentenkommission, die Sie uns jahrelang groß als diejenige prophezeit haben, die Ergebnisse erbringen soll, hat faktisch keine Ergebnisse geliefert. Ihre Grundrente ist nicht solide und redlich finanziert. 400 Millionen Euro sollen aus der globalen Minderausgabe finanziert werden. Für ein Jahr kriegen Sie das hin. Was machen Sie dann aber übernächstes Jahr? Was machen Sie überübernächstes Jahr? Insgesamt müssen Sie sogar 700 Millionen Euro aus Ihrer GMA finanzieren, und das in einem Etat, in dem die meisten Mittel für gesetzliche Leistungen gebunden sind. Da haben Sie nur zwei Alternativen, um das hinzubekommen. Entweder müssen wir im nächsten Jahr frisches Geld zuschießen, oder Sie fangen irgendwann an, gesetzliche Leistungen zu kürzen. Gerade in einer Pandemie kann das doch nicht die Antwort sein, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, das Kurzarbeitergeld ist gut, es ist wichtig, es hält auch dieses Land stabil. Aber es gibt auch Menschen, die trotz Kurzarbeitergeld nun langsam in Armut kommen, die schmerzhafte Einkommensverluste hinnehmen müssen. Wir als Grüne haben Ihnen da sehr gute Vorschläge gemacht. Ein Vorschlag war, die Bemessung der Grundlage von der Steuerklasse abzukoppeln. Ein anderer Vorschlag war, dass wir Menschen mit niedrigen Löhnen einen höheren Beitrag geben. Betroffen sind davon vorwiegend Frauen, Herr Minister. Fakt ist: In diesem Land ist Armut weiblich und jung. Sie trifft die Alleinerziehenden; sie trifft die Frauen, und sie trifft die Familien. Herr Minister, Sie sind noch nicht mal darauf eingegangen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, den Bundeszuschuss für die Bundesagentur für Arbeit im nächsten Jahr um eine weitere Milliarde zu erhöhen. Der Hintergrund war genau das: Spielräume zu schaffen, damit Sie flexibel reagieren können und die Umsetzung unserer Vorschläge gegenfinanzieren können. Sie sind noch nicht einmal verbal darauf eingegangen, was man in diesem Bereich tun muss, trotz Kenntnis der Tatsache – das haben Sie selber mehrfach zugegeben-, dass es so ist. Weggucken ist doch keine Lösung!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Völlig unverständlich ist mir, ehrlich gesagt, auch, dass Sie bei der Jobcenterfinanzierung nicht weiterkommen. Wir wissen, dass im Moment die Zugänge zur Grundsicherung moderat sind. Wir wissen aber nicht, wie wir aus dieser Pandemie herauskommen werden. Wir wissen auch nicht, wie hoch die Zahl der Insolvenzen im nächsten Jahr sein wird. Wir wissen auch nicht, wie der Arbeitsmarkt sein wird. Gerade deshalb ist es gut, vorausschauend zu denken und die Qualifizierung und die aktive Vermittlung mit in den Blick zu nehmen, damit die Jobcenter finanziell gewappnet sind und reagieren können. Nein, Herr Minister, von Ihnen kam da leider bisher nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gut ist tatsächlich, dass der soziale Arbeitsmarkt recht unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Mir scheint, dass die Regelinstrumente in diesem Bereich durchaus recht erfolgreich sind und dass es, wenn wir in ruhigeres Fahrwasser kommen, vielleicht auch noch mal zu einem Aufschwung kommt; das wäre gut. Ich denke, auch hier haben wir noch eine Baustelle. Wenn die Instrumente wirklich so gut sind, wie wir glauben, sollten wir sie verstetigen und ausweiten sowie den Einsatz von Passiv-Aktiv-Transfers voranbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle will ich mich auch noch mal bei den Berichterstattern und Berichterstatterinnen bedanken. Ich glaube, wir haben echt harte Arbeit geleistet. Das ist nicht nur der größte, sondern auch der arbeitsintensivste Etat. Vielen Dank dafür! Ich kann Ihnen aber sagen: Auch im kommenden Jahr ist unsere Arbeit als Berichterstatter und ‑erstatterinnen noch lange nicht zu Ende, weil die Punkte, die ich Ihnen gerade aufgezählt habe, Hinweise sind, dass wir das alles spätestens in einem Vierteljahr wieder auf dem Tisch haben werden und darüber reden müssen, wenn wir in diesem Land für einen starken Sozialstaat einstehen. Wir als Grüne bekennen da Farbe. Wir tun das, auch in der Überzeugung, dass das zu unserer Demokratie dazugehört. Ich hoffe, dass ich auch Sie dafür gewinnen kann.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Katja Mast, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)