Rede von Dr. Franziska Brantner Haushalt 2021 - Einzelplan Auswärtiges Amt

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30.09.2020

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange an mit einem Zitat von Außenminister Maas:

… eine Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit kann und wird die Europäische Union nicht zulassen. … Wer sich den rechtsstaatlichen Prinzipien der EU, auf die wir uns alle verpflichtet haben, in eklatanter und dauerhafter Weise entzieht, muss damit rechnen, dass er das auch finanziell zu spüren bekommt.

Recht hat er.

Jetzt wurde heute Morgen in Brüssel etwas beschlossen, was den Namen „Rechtsstaatsmechanismus“ nicht mehr verdient. Ich lese Ihnen mal kurz die Kriterien vor, die im ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission von 2018 standen, und sage Ihnen dann, was damit in dem heutigen Kompromiss passiert ist. Als Kriterien wurden aufgeführt: Erstens: „die Gefährdung der Unabhängigkeit der Gerichte“ – gestrichen. Zweitens: „das Versäumnis, willkürliche oder unrechtmäßige Entscheidungen von Behörden einschließlich Strafverfolgungsbehörden zu verhüten, zu korrigieren und zu ahnden“ – gestrichen. Drittens: „die Einschränkung der Zugänglichkeit und Wirksamkeit des Rechtsweges“ – gestrichen.

Alle Kriterien, die mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben, sind gestrichen. Die Unabhängigkeit der Justiz: kein Kriterium. Das Einzige, was bleibt, sind kleine Fragen in der Vergabe des europäischen Geldes – und das für Länder, die sich weigern, der europäischen Staatsanwaltschaft beizutreten, nämlich Ungarn und Polen, die dabei gar nicht mitmachen. Das heißt, dieser Mechanismus ist kein Rechtsstaatsmechanismus, sondern im besten Fall vielleicht ein Geldscheckmechanismus. Es ist tragisch, dass diese Bundesregierung den so verhandelt hat, wirklich tragisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie in dieser Ratspräsidentschaft nicht die Brücke zum Europäischen Parlament bauen, wo wir alle, alle demokratischen Parteien, darauf pochen und sagen: „Es gibt keinen Haushalt ohne einen effektiven Rechtsstaatsmechanismus“, und stattdessen vor Orban einknicken. Bauen Sie endlich die Brücke zum Europäischen Parlament! Das ist Ihre Aufgabe während Ihrer Ratspräsidentschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ich kann es mir nicht erklären, warum die CDU/CSU-Fraktion und auch Frau von der Leyen immer diesen netten, freundlichen Umgang mit Herrn Orban pflegen. Im Parlament redet sie groß und zeigt auf Polen; kein Wort zu Ungarn.

(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Gewählter Ministerpräsident!)

Womit wird dieser nette Umgang denn belohnt? Orban eskaliert weiter, er spuckt Ihnen am nächsten Tag als Dankeschön ins Gesicht. Ich frage mich wirklich, wie Sie es mit Ihrem Selbstrespekt überhaupt zusammenbringen, dass diese Fidesz-Partei noch Teil Ihrer Parteienfamilie auf europäischer Ebene ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Brantner, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielleicht wäre der Rechtsstaatsbericht der Kommission jetzt der Anlass, das endlich zu ändern und Fidesz rauszuschmeißen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die Kollegin Ursula Groden-Kranich hat für die CDU/CSU das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)