Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2021 - Einzelplan Bildung und Forschung

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01.10.2020

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Eigentlich sollte das jetzt die spannendste Debatte des Tages sein, weil gerade in der Coronapandemie ja ein besonders grelles Schlaglicht auf die Bildungs- und Forschungspolitik in diesem Land fiel, und das zu Recht. Denn die wesentlichen und die wichtigsten Fragen unserer Zeit stellen sich in Ihrem Bereich: Wie machen wir das Bildungssystem krisenfest? Wie schaffen wir die richtigen Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Impfstoffentwicklung? Wie kriegen wir es hin, in der Arzneimittelforschung nach vorne zu kommen? Wie können wir sicherstellen, Deutschland gerade auch in dieser Zeit in einen Innovationsstandort zu verwandeln? Das sind essenzielle Fragen unserer Zukunft.

Wenn man sich die Steigerungen der Mittel in Ihrem Haushalt anschaut, könnte man meinen, dass Sie das genauso sehen und dass Sie deshalb so viel Geld hineininvestieren. Dann wirft man aber einen zweiten Blick auf Ihren Etat und muss leider, leider feststellen, dass zwischen Anspruch und Realität eine ganz große Lücke ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich fange meine Beispiele auch mit der Digitalisierung in den Schulen an. Ich habe letzte Woche diese Zahl bei Ihnen abgefragt – das kam ja inzwischen in die Öffentlichkeit –: Wie ist das denn mit diesen 5 Milliarden Euro für den DigitalPakt? Immerhin haben wir mehrere Jahre darüber beraten. Dann hatten Sie nun zwei Jahre Zeit, um das Geld auszugeben. Sie haben selber gesagt: Ihr Ziel sind Ausgaben von 1 Milliarde Euro in 2020. – Herausgekommen sind Ausgaben von bisher 15,7 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])

Also sind wir noch etwa 980 Millionen Euro entfernt von dem Ziel, das Sie sich selber gesetzt haben. Sie haben es trotz der guten Vorbereitungen und trotz der Zeit von zwei Jahren nicht geschafft, das Geld auch nur zu einem Bruchteil dorthin zu bringen, wo es hingehört, nämlich in die Schulen in diesem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Jetzt reden wir ja darüber, wie dringlich das ist. Und ja, es ist berechtigt, zu fragen: Wo waren Sie eigentlich die letzten Jahre? Warum gab es keinen Bildungsgipfel? Warum musste die Kanzlerin jetzt erst im Herbst damit loslegen, damit in diesem Land überhaupt was passiert? Wo war unsere Ministerin? Sie haben aus einem Zukunftsprojekt ein Armutszeugnis für dieses Land kreiert. Das geht auf Ihre Rechnung, Frau Ministerin!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Unsinn! Vollkommener Unsinn, was Sie da sagen!)

– Wenn Sie da von Unsinn reden: Wir haben tatsächlich einige Studien über unsere Schülerinnen und Schüler in diesem Land. Diese stellen fest, dass in Deutschland gerade mal jedes zehnte Kind – jedes zehnte Kind! – in der Coronazeit überhaupt Zugang zum digitalen Unterricht hatte. Wir wissen, dass – Stand heute – in Deutschland 50 000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne sind und dass auch sie keinen ausreichenden Zugang zum digitalen Unterricht haben, obwohl wir seit einem halben Jahr über dieses Thema reden, obwohl wir die Sommerpause, die Sommerferien hatten. Wo waren Sie eigentlich in dieser Zeit? Warum haben Sie das nicht vorangebracht? Und warum stellen Sie das als Aufbruch dar, dass Sie jetzt darüber nachdenken, vielleicht irgendwann mal etwas zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist zu spät. Das geht auf Kosten unserer Schülerinnen und Schüler in diesem Land, Frau Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP])

Als Haushälterin muss ich Ihnen noch mal eins sagen: Natürlich steigen die Mittel, und das finden wir gut. Aber in Ihrem Haus mangelt es, ehrlich gesagt, gerade nicht an Geld,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

sondern in Ihrem Haus mangelt es an Umsetzung.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Da gibt es ganz, ganz viele Beispiele.

Gucken Sie sich mal an, wie Ihr Verfahren zur Vergabe der Batterieforschungsfabrik gelaufen ist. Ich brauche jetzt nicht den Bundesrechnungshof zu zitieren. Ich kann dafür auch ganz viele Bundesländer hinzuziehen. Sie haben es einfach in den Sand gesetzt. So!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schauen Sie sich mal die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen an. Das sollte ein innovatives Instrument sein, das dieses Land voranbringt. Und es geht in einem Schneckentempo voran. Moment! Wahrscheinlich werden Sie von den Schnecken dabei sogar noch überholt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Oder schauen Sie sich mal an, was im Bereich KI passiert oder im Bereich Quantentechnologie oder Grüner Wasserstoff – alles wirklich ambitionierte Ziele –: Wir kommen da aber nicht voran. Sie verspielen hier Vertrauen. Es will auch niemand mehr so richtig mit Ihnen arbeiten, weil Sie das Vertrauen der Wissenschaft in diesem Land verspielt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, in Ihrem Haus hapert es immer und immer wieder an der Umsetzung. Das ist eine schlechte Managementleistung. Obwohl Sie und Ihr Haus für einen Aufbruch in diesem Land stehen sollten, schaffen Sie genau das nicht. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben. Wir dürfen nicht das Alte konservieren, sondern wir müssen in die Zukunft investieren, Frau Ministerin. Und wissen Sie was? Auch ich traue Ihnen nicht zu, dass das in dieser Wahlperiode überhaupt noch geschehen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)