Rede von Kai Gehring Haushalt 2021 - Einzelplan Bildung und Forschung

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01.10.2020

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wessen Bilanz ist eigentlich schlechter: die von Ministerin Karliczek oder die von Verkehrsminister Scheuer? Darüber kann man streiten. Fakt ist: Die Zeit der großen Aufwüchse bei Bildung, Forschung und Innovation sind mit Ihnen, Frau Karliczek, eindeutig vorbei. Damit sind Sie ein Standortrisiko und eine Fortschrittsbremse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sich das mal vorstellen: Herr Scheuer organisiert eine halbe Milliarde Euro für ein Zentrum für Mobilitätsforschung in Bayern, Frau Karliczek eine halbe Milliarde Euro für Batteriezellen im Münsterland.

(Zuruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU])

Gelder nach Gutsherrenart zu verteilen, geht gar nicht, sagen wir und der Bundesrechnungshof.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich finde, das beste Konzept sollte den Zuschlag bekommen. Und Nordrhein-Westfalen hat diese Mauscheleien überhaupt gar nicht nötig; mein Zuhause ist auch so spitze.

Womit bleiben Sie eigentlich im Gedächtnis, Frau Karliczek? Erstens mit Vorurteilen gegenüber Regenbogenfamilien. Eine fortschrittliche Bundesbildungsministerin würde einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit in Bildungseinrichtungen auflegen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Bitte nicht!)

Ob im Ministerium oder auf dem Schulhof: Angst vor gesellschaftlicher Vielfalt ist heilbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Zweitens. Die Bundesforschungsministerin hat auf die größte Überlebensfrage unserer Menschheit, nämlich die Klimakrise, keine adäquate Antwort. Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen haben Sie abgelehnt. Unser Rahmenprogramm Klimaforschung haben Sie abgelehnt. An klimaneutralen Hochschul- und Forschungsbauten haben Sie nicht mal ein Interesse. Sie blockieren den Weg in ein klimagerechtes Land. Gegen die Klimakrise hilft eben kein Impfstoff, sondern mehr Forschung für ökologische Innovationen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Drittens. Ministerin Karliczek dämmert kurz vor Schluss, wie wichtig Digitalisierung ist. Schnelles Internet brauchen wir nicht nur an jeder Milchkanne, sondern auch in jeder Schule,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

dazu eine moderne Ausstattung und Lehrkräfte, die digital unterrichten können. Digitale Bildung voranzubringen, haben Frau Karliczek und ihre CDU-Amtsvorgängerinnen mit einer unglaublich konservativen Schnarchnasigkeit einfach verschlafen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Katja Suding [FDP])

Viertens. Unter Ministerin Karliczek nimmt die Bildungsspaltung leider wieder zu. Mehr junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss. Mehr junge Menschen bleiben ohne Ausbildung, und immer mehr suchen einen Ausbildungsplatz. Das sind alarmierende Trends. Dazu hätte ich heute von Ihnen eine klare Aussage erwartet und nicht zum hunderttausendsten Mal, wie toll unsere berufliche Bildung ist; das wissen wir. Es kann aber schlichtweg nicht sein, dass ein junger Mensch zurückgelassen wird. Jeder braucht eine Chance. Eine Bildungsministerin, die nicht brennt für Chancen für alle, kann die Bildungszuständigkeit eigentlich auch abgeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es wäre zum Beispiel allerhöchste Zeit für ein Bund-Länder-Programm für Schulen in benachteiligten Stadtteilen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Was ist denn mit Baden-Württemberg? Nicht nur auf den Bund zeigen!)

Die Verfassungslage würde das ermöglichen. Das wäre eine richtig tolle Maßnahme, um für mehr Bildungsgerechtigkeit in diesem Land zu sorgen.

Aktuell fehlt noch immer ein Konzept, wie Schulen in Coronazeiten gut durch den Winter kommen. Lehrer, Schüler, Eltern lassen Sie allein. Planlosigkeit im sechsten Monat – da erwarten wir eindeutig mehr.

Für Studierende hat Ministerin Karliczek eigentlich gar nichts übrig.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: 1,3 Milliarden Euro in dieser Legislatur! Ist das nichts?)

Die Coronahilfen für Studierende in Not lassen Sie einfach auslaufen. Die Hilfen laufen mitten in der Pandemie und kurz vor Semesterstart aus. Das ist doch unglaublich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tausende haben einen Nebenjob verloren, Eltern kriegen Kurzarbeitergeld, sind in finanziellen Engpässen. So geht das doch nicht! Auch für Kinder aus armen Elternhäusern muss ein Traum vom Studium ohne Schuldenberg finanzierbar sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das BAföG haben Sie heruntergewirtschaftet wie keine Koalition vorher.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: 1,3 Milliarden mehr!)

Wenn 89 Prozent kein BAföG bekommen,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann geht es den Leuten besser!)

dann sollten Sie sich schämen und die SPD gleich mit,

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Unsinn, was du erzählst!)

die wieder ein Jahr vor der Wahl erkennt: Beim BAföG hätte man noch mehr machen müssen! Denn das kriegen nur noch 11 Prozent.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: BAföG ist kein Selbstzweck! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Vollkommener Unsinn!)

Sie müssen dafür sorgen, dass das BAföG einen Neustart bekommt,

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Die Grünen brauchen einen Neustart!)

damit es wieder ein Chancengerechtigkeitsgesetz sein kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Gut, und jetzt kommen wir zum Schluss.

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Seit 15 Jahren wird das Bundesbildungs- und ‑forschungsministerium von der CDU geführt. Es wird höchste Zeit, das zu ändern und am Kapelle-Ufer mal ordentlich durchzulüften.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Kai Gehring. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Tankred Schipanski.

(Beifall bei der CDU/CSU)