Rede von Dr. Anna Christmann Haushalt 2021 - Einzelplan Bildung und Forschung

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08.12.2020

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rupprecht, ich wollte an Sie anschließen. Für mich war es schon bemerkenswert, wie Sie von Visionen in der Wissenschaft sprechen konnten, dann aber die ganze Zeit über die Vergangenheit geredet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Sie haben offenbar nichts mehr vor im Bereich der Wissenschaft. Das ist ziemlich fatal; denn wir reden heute hier hoffentlich über die Dinge, die in der Zukunft passieren sollen.

Dafür sind jetzt 20,8 Milliarden Euro im Haushalt vorgesehen. Das ist Geld, das wir in der Tat dringend brauchen. Wie dringend, das haben wir ja gerade in diesem Jahr gesehen: Plötzlich schreien alle nach den Prognosen zur Entwicklung der Pandemie. Alle wollen dringend einen Impfstoff haben. Analysen der Bildungsforschung zu den Schulschließungen sind gefragt. Viele Menschen merken: Wir brauchen eine starke Wissenschaft, um gerade auf die unvorhersehbaren Herausforderungen gut vorbereitet zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin daher ganz froh, Frau Ministerin, dass sich Ihre Prognose vom Anfang Ihrer Amtszeit nicht bewahrheitet hat. Sie haben ja gesagt, die Zeit der Aufwüchse sei vorbei. Die Größe der Herausforderung hat Sie da aber offensichtlich eingeholt; denn wir brauchen die Investitionen in die Wissenschaft. Es ist also gut, dass der Wissenschaftsetat wächst, obwohl Sie dafür nicht besonders gekämpft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt aber leider auch, dass Sie den Entwicklungen allgemein oft hinterherlaufen, und das ist fatal. Erstes Beispiel dafür: die Digitalisierung der Hochschulen. Wir haben gesehen, dass da jetzt viel durch Engagement der Lehrenden lief, dass es digitale Veranstaltungen gab. Aber solches Krisenmanagement ersetzt natürlich keine verlässliche digitale Infrastruktur, die die Hochschulen dringend brauchen. Führen Sie endlich eine Digitalpauschale ein, die nicht nur von uns, sondern auch von der Hochschulrektorenkonferenz und der Expertenkommission Forschung und Innovation gefordert wird. Packen Sie das endlich an!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweites Beispiel: die Wissenschaftskommunikation. Auch da hat die Wirklichkeit Sie überholt, Frau Karliczek. Sie riefen am Anfang Ihrer Amtszeit, die Wissenschaft müsse sich besser erklären. Heute erklärt sich die Wissenschaft jeden Tag in Talkshows, in Politrunden. Wir wissen alle, was ein R-Wert ist und was Aerosole sind. Nur, was Ihr großer Wurf in der Wissenschaftskommunikation ist, das wissen wir immer noch nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier braucht es endlich ein umfassendes Konzept für starke Orte der Wissenschaftskommunikation und 20 statt 2 zusätzliche Millionen, wie sie jetzt vom Haushaltsausschuss beschlossen wurden. Das ist zu wenig.

Drittes Beispiel: Gründungsförderung. Wir brauchen endlich einen Aufbruch für eine gründungsfreundliche Wissenschaft. Aber die EXIST-Mittel stagnieren vor sich hin; da ist überhaupt keine Bewegung drin. Deswegen haben wir eine dringende Erhöhung beantragt.

Auch ein Update bei den Rahmenbedingungen ist dringend fällig; denn die völlig überzogenen Lizenzgebühren und festen Patentvergütungen sind einfach nicht unterstützend für Ausgründungen. Es braucht die stille Beteiligung im einstelligen Bereich als neuen Ausgründungsstandard. So geht Gründungsförderung in der Wissenschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch noch die sozialen Innovationen erwähnen, die Sie ebenfalls sträflich vernachlässigen. Auch die EFI-Kommission hat sie in ihrem Gutachten dieses Jahr erwähnt. Es braucht einen breiteren Innovationsbegriff, der gerade auch die sozialen Innovationen umfasst. Als Grüne fordern wir schon länger eine Innovationsstiftung, gerade auch für soziale Innovationen. Von Ihnen ist da gar nichts zu sehen, Frau Karliczek.

Zum Schluss vielleicht noch das leidige Thema der angeblichen Milliarden für künstliche Intelligenz, die ja dann auch immer nur so ein paar Millionen sind. Zu allem Überfluss hat Ihnen da jetzt der Haushaltsausschuss sogar noch die Mittel gesperrt, weil noch gar kein Gesamtkonzept vorliegt. Dabei wäre eine Stärkung der KI-Mittel gerade für eine europäische KI so wichtig. Wir haben 130 Millionen Euro für AI made in Europe beantragt, waren damit aber leider nicht erfolgreich. So bleibt es ein hohles Schlagwort, wenn Sie sagen, Sie seien jetzt auch für AI made in Europe. Das muss mit Leben erfüllt werden.

Sie waren auch bei diesem Thema „europäische künstliche Intelligenz“ nicht die Erste, sondern mal wieder eher die Letzte. Unsere Wissenschaft hätte da ein bisschen mehr Weitsicht verdient. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich hierhinstellen und sagen: Mir reicht das alles nicht, ich möchte mehr erreichen für die Wissenschaft. – So müssen wir diese Rolle übernehmen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Frau Kollegin Christmann.

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Denn dringend notwendig ist es.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Tankred Schipanski das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)