Rede von Ekin Deligöz Haushalt 2021 - Einzelplan Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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10.12.2020

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer aktuellen Entwicklung anfangen, die uns im Haushaltsverfahren ereilt hat: Am Vortag der Bereinigungssitzung wurde ein 150-Millionen-Euro-Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beschlossen und uns dann vorgelegt. Wir unterstützen es, dass Sie da etwas machen. Ich finde sogar, es war überfällig, dass wir da handeln. In diesem Sinne haben Sie unsere Unterstützung. Unsere Unterstützung werden Sie übrigens auch haben, wenn Sie uns ein Demokratiefördergesetz vorlegen; das haben wir ja längst im Bundestag verlangt. Ich hoffe, dass das reibungslos läuft und uns Ihre Vorlage noch in dieser Wahlperiode erreicht. Unsere Unterstützung dafür hätten Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Haushälterin muss ich aber sagen: Die Lage ist für mich sehr unbefriedigend. Eigentlich haben wir ja das Haushaltsverfahren, damit wir über Ihre Vorschläge beraten können, damit wir das von Ihnen Vorgelegte etatisieren können und unsere eigenen Vorschläge danebenlegen können, also konstruktiv mitarbeiten können. An dieser Stelle war das aber komplett ausgeschlossen. Sie haben uns aus diesem ganzen großen Ankündigungsüberschriftenpaket keine einzige etatreife Vorlage vorgelegt. Von daher bleibt eine gewisse Skepsis nach wie vor bestehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will verdeutlichen, woher diese Skepsis kommt. Meine Fraktion hat im Haushaltsverfahren mehrere Vorschläge eingebracht, aber ich nehme jetzt mal zwei heraus. Ein Vorschlag war die finanzielle Stärkung der Antidiskriminierungsstelle, deren Leitung übrigens seit vier Jahren nicht besetzt ist. Das passt sehr gut in den Kontext. Eigentlich fordern Sie das ja irgendwie auch selber. Und was haben Sie gemacht? Sie haben die Aufstockung und Aufwertung abgelehnt.

Ein zweites Beispiel. Wir haben Ihnen einen Aktionsplan für Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in unserer Gesellschaft vorgeschlagen. Es gibt inzwischen einen aktuellen Anlass dafür: Wir haben einen Monitoring-Bericht vorliegen, der uns erschreckende Ergebnisse liefert. Er zeigt auf, dass transfeindliche und homofeindliche Gewalt in unserer Gesellschaft um sich greifen

(Nicole Höchst [AfD]: Benennen Sie die Täter!)

und dass wir dringend agieren müssen. Was haben Sie gemacht? Sie haben das abgelehnt.

Es geht aber nicht nur um diese Ablehnung. Es ist richtig, was mein Kollege Meyer hier gesagt hat: Wir warten an ganz vielen Stellen auf Ergebnisse von Ihnen. Wir warten darauf, dass Sie endlich handeln und nicht nur Überschriften produzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe Ihnen da ein paar schöne Beispiele:

Bundesfreiwilligendienst/Jugendfreiwilligendienst: Es ist noch kein ganzes Jahr her, dass Sie gesagt haben: Wir möchten das stärken; alle Jugendlichen, die teilnehmen wollen, sollen auch teilnehmen können. Wir möchten in diesem Land groß etwas verändern. – Gekommen ist bisher nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Nicht nur Sie, sondern auch die Kanzlerin sagt, wie dringend er umgesetzt werden muss. Das ganze Verfahren ist im Moment aber komplett in der Schwebe, und wir wissen nicht, ob in diesem Jahr überhaupt noch was passieren wird, geschweige denn im nächsten Jahr. Das Ganze steht auf der Kippe. Ja, ich gebe zu, es ist eine Herausforderung, mit den Ländern hierüber zu verhandeln.

Aber auch Sie müssen da ein bisschen Schuld eingestehen. Warum? Weil Sie ein großes Glaubwürdigkeitsproblem bei den Maßnahmen haben. Sie haben allen versprochen, zum Beispiel bei dem Gute-KiTa-Gesetz, dass bis 2024 in der Finanzplanung eine Verstetigung vorgesehen werden soll. Gekommen ist – nichts, gar nichts. Dann haben Sie versucht, Frau Ministerin, das irgendwie verbal zu kaschieren. Aber so doof sind die Länder auch nicht; sie durchschauen das, und sie vertrauen Ihnen nicht mehr. Sie vertrauen Ihnen nicht nur hier nicht, sondern sie vertrauen Ihnen auch bei den Ganztagsschulmaßnahmen nicht. Deshalb tun Sie sich so schwer, mit den Ländern zu verhandeln, und deshalb ist die Umsetzung vor Ort so schwer. Sie versprechen viel, aber Sie halten Ihre Versprechen einfach nicht ein, Frau Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Frau Ministerin, Sie haben versprochen, dass im Bereich der Frauenhäuser etwas passiert, dass eine Verstetigung in der Finanzarchitektur kommt, dass verlässliche Strukturen kommen. Was ist bisher passiert? Was kommt? Nichts, das große Nichts – außer dass wir damit hingehalten werden, dass irgendwelche Verhandlungen geführt werden.

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: Gerade erst, vor einer Stunde, wurde hier darüber debattiert. Sie haben da Maßnahmen, Sie haben da Programme, die komplett gescheitert sind, die komplett am Bedarf vorbeigehen. Auch da: Seit drei Jahren kündigen Sie uns Haushältern an, dass Sie die Regelungen überarbeiten werden, dass Sie sie verbessern werden, dass da andere Maßnahmen kommen. Gekommen ist – nichts, Frau Ministerin.

Ein letztes Beispiel – das nehme ich Ihnen wirklich auch persönlich übel –: Unser größtes Problem im Moment ist, gerade in der Pandemie, dass Familien, die in Armut leben, immer mehr darunter leiden. Wir haben vorgeschlagen, dass zumindest mal für die Ärmsten der Armen, die Kinder in ALG-II-Haushalten, ein Zuschlag kommt, damit auch der Wintermantel und die Winterschuhe gesichert sind. Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört, Frau Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist zu wenig.

Ja, wir sind in der Pandemie. Das ist die Stunde der Exekutive, und die Familien wollen eine Vertreterin, eine Anwältin haben. Ihre Antwort, Frau Ministerin, darauf ist – nichts. Bedauerlicherweise ist es anders in Ihrem Wahlkampf; da machen Sie ja sehr viel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Jetzt hat das Wort die Bundesministerin, Frau Franziska Giffey. Frau Ministerin, bitte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)