Rede von Uwe Kekeritz Haushalt 2021 - Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

30.09.2020

Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt oft genug gehört: Das 0,7-Prozent-Ziel ist erreicht oder vielleicht auch nicht erreicht. Die Freude darüber gönne ich Ihnen. Wir sollten aber trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass wir wirklich in der schwersten wirtschaftlichen Krise angekommen sind.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau!)

Wir hier in Deutschland bekämpfen diese Krise mit einem 100-Milliarden-Euro-Programm. Das ist gut so, das ist richtig, und es findet auch unsere Unterstützung.

Doch was machen die Länder des globalen Südens, die eben keine Coronasoforthilfe, kein Kurzarbeitergeld, keine Lohnfortzahlung, keine Konjunkturpakete auflegen können? Wir alle kennen die Folgen. Wir kennen die ökonomischen und damit auch die humanitären Konsequenzen. Es ist schon gesagt worden: Sie sind katastrophal. Sie sind verheerend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fragilität der Länder nimmt zu. Manche Länder könnten auch kollabieren. Deshalb ist unsere Solidarität gefragt. Offensichtlich will diese Regierung über den BMZ-Etat zukünftig kaum mehr zu diesen Lösungen beitragen; denn – auch das wurde schon diskutiert – Sie planen mittelfristig eine Reduktion von 25 Prozent. Mehr Aufgaben, mehr Anforderungen, weniger Mittel: Das heißt, Sie verabschieden sich aus diesem Bereich. Mit Verlaub, das ist ein grob fahrlässiger Ansatz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie viele Beispiele braucht diese Regierung eigentlich noch, damit sie erkennt, dass zusammenbrechende Staaten für uns die teuersten Alternativen sind? Und für die betroffenen Menschen sind sie die brutalsten Alternativen, die Hunger, Armut, Vertreibung und verlorene Perspektiven nach sich ziehen. Ich finde es auch geostrategisch einfach naiv, einen möglichen Zusammenbruch nicht mit allen möglichen Kräften und Mitteln verhindern zu wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Situation verschärft sich global. Die finanzielle Situation vieler Länder des globalen Südens ist einfach eine Katastrophe, und alle Finanzanalysen zeigen uns klar, dass das Allzeithoch der Verschuldung dieser Länder durch die Pandemie noch weiter nach oben katapultiert wird. Die Zahl der Hungernden droht auf 1 Milliarde zu steigen. Das ist eben auch die traurige Wahrheit: Nicht das Virus allein tötet, auch die Verschuldung tötet.

Deshalb war das Schuldenmoratorium der G 20 richtig. Aber es hat einen entscheidenden Geburtsfehler: Kein einziger privater Gläubiger ist Teil dieser Initiative. Was bedeutet denn das konkret? Staatliche Kredite werden durch ein Moratorium nicht mehr bedient. Die Länder erhalten so dringend benötigte Liquidität; das ist auch der Plan dahinter, und das ist auch gut. Aber die privaten Gläubiger bestehen auf die Bedienung ihrer Schulden, und die Liquidität, die wir durch das Moratorium geschaffen haben, fließt in den Geldbeutel der Privaten.

Kurz gesagt: Staaten finanzieren, und die Privaten kassieren. Deswegen brauchen wir ein neues Moratorium, aber eines, das wirkt. Ein Moratorium ohne Beteiligung der privaten Gläubiger darf es zukünftig in der Regel nicht mehr geben. Denn nur dann haben die Menschen vor Ort etwas davon. Und Friedrich Merz und seinen Fans hier in diesen Reihen sei klar mitgeteilt: Den Privaten und den BlackRocks dieser Welt muss nicht geholfen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Allerdings brauchen wir endlich eine dauerhafte, wirksame Lösung bei Überschuldung, eine Lösung, die auch dazu beiträgt, dass Überschuldung grundsätzlich erschwert wird und nicht mehr zu einem risikofreien Glücksspiel für korrupte Eliten und Investitionshasardeure verkommt. Dazu muss die Bundesregierung ihren Widerstand gegen ein Staatsinsolvenzverfahren aufgeben. Das Problem lässt sich nicht aussitzen. Die Kanzlerin muss endlich aus ihrem Aussitzmodus diesbezüglich herauskommen. Die Gelegenheit ist ja zurzeit da. Wir stehen kurz vor der Jahrestagung von Weltbank und IWF. Machen Sie endlich den Weg frei, und stellen Sie sich dort an die Spitze einer nachhaltigen und geordneten Entschuldungsinitiative!

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Uwe Kekeritz. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Peter Stein.

(Beifall bei der CDU/CSU)