Rede von Ottmar von Holtz Haushalt 2021 - Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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09.12.2020

Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, einen Punkt anzusprechen, der in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, nämlich die Kohärenz in der Friedenspolitik. Tun wir wirklich alles, um das ganze Potenzial der zivilen Krisenprävention und des zivilen Konfliktmanagements auszuschöpfen? Vor allem in finanzieller Hinsicht ist das BMZ immerhin der größte Beitraggeber zur zivilen Krisenprävention. Zuständig dafür, dass zivile Krisenprävention gelingt, sind aber viele weitere Ressorts.

Die besten Programme des BMZ zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Armutsbeseitigung nutzen zum Beispiel niemandem etwas, wenn wir diese gleichzeitig mit unfairen Handelsverträgen konterkarieren. Die Folgen des Klimawandels, der Kampf um Acker- und Weideflächen, der Kampf ums Wasser, alles das schafft Konflikte. Viele Konflikte können mit vergleichsweise kleinem Aufwand gewaltfrei gelöst werden, wenn man sich ihnen frühzeitig widmet. Ich konnte in diesem Jahr noch vor Corona ein von der GIZ unterstütztes Projekt der Friedensmediation in Kenia kennenlernen. Hochprofessionell werden in der Region Mombasa kleine Brandherde gelöscht, bevor sie zu großen, gewaltsamen Krisen heranwachsen, die nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden können.

Deutschlands Kapazitäten für Friedensarbeit sind riesig. Hunderte Initiativen und Organisationen sind in der Friedensarbeit aktiv. Jahr für Jahr bilden wir an deutschen Hochschulen Menschen in Friedens- und Konfliktforschung aus. Nutzen wir doch dieses Potenzial, um Deutschlands Ansehen als verlässlichem Mittler in vielen Ländern Nachdruck zu verleihen und noch viel stärker als Friedensmediator wahrgenommen zu werden!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Änderungsanträge zugunsten der zivilen Krisenprävention haben die Koalitionsfraktionen leider reflexartig abgelehnt, vermutlich nur, weil sie aus der Opposition kamen.

Herr Minister, im Frühjahr haben Sie uns im Ausschuss Ihre Pläne zu BMZ 2030 vorgestellt. Nach fast einem Dreivierteljahr der Beratungen im Ausschuss gibt es immer noch viele offene Fragen. Ihre Pläne wurden im Vorfeld nicht mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt, Partnerländer wurden von Ihren Plänen nicht unterrichtet. In vielen Ländern Lateinamerikas ist Deutschland das anteilig größte Geberland, und doch streichen Sie diese Länder wegen angeblicher Geringfügigkeit von der Liste. Herr Minister, das geht so nicht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie ziehen sich aus der Unterstützung vieler sogenannter LDC zurück, also der ärmsten Länder, aus den bilateralen Bildungs- und Gesundheitsprojekten, ohne sicherzustellen, dass dies von anderen übernommen wird. Ich bin gespannt, wie der neue LDC-Topf, den Sie nun in den Beratungen noch eingefügt haben, wirken wird. Sie begründen die Streichung von Ländern mit mangelnder Rechtsstaatlichkeit, halten aber an Ländern wie Ägypten, Togo und Algerien fest. Das alles ist schwer nachvollziehbar und nicht konsistent, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Schließen möchte ich mit einem Appell an Sie, Herr Minister Dr. Müller: Setzen Sie endlich das Thema Inklusion in der Entwicklungszusammenarbeit auf die Tagesordnung! Leitgedanke der Nachhaltigkeitsagenda 2030 der Vereinten Nationen ist immerhin „Leave no one behind“: Das heißt, vor allem diskriminierte und vulnerable Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Auf unsere Anfragen im Zuge der Haushaltsberatungen haben Sie uns berichtet, dass von 1 540 Vorhaben der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit gerade mal zwei Vorhaben behindertenspezifisch sind. Das ist richtig, richtig wenig. Private Träger setzen zwar mehr Maßnahmen um; in der Summe aber ist das eine klare Absage an Inklusion. Da haben wir richtig Nachholbedarf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Ja, der BMZ-Haushalt steht in der Summe gut da, aber im Detail, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, gibt es leider noch sehr, sehr viel Nachbesserungsbedarf.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Der Nächste ist der Kollege Volkmar Klein, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)