Rede von Sven-Christian Kindler Haushalt 2022 - Schlussrunde

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03.06.2022

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ist ein trauriges Jubiläum: Seit 100 Tagen führt das diktatorische russische Regime einen brutalen Eroberungskrieg gegen die demokratische Ukraine. Es ist so schrecklich und brutal, was dort passiert.

Ich will hier trotzdem noch einmal festhalten: Wladimir Putin ist bisher gescheitert, er hat bisher seine Kriegsziele nicht erreicht. Die Ukraine besteht fort, und das mit großem Rückhalt in der ukrainischen Bevölkerung und mit großem internationalen Rückhalt. Das ist richtig so, und das muss so bleiben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es gibt große internationale Unterstützung, aus den USA, aus Europa, aus Deutschland, aus vielen Ländern; sie unterstützen humanitär, finanziell, diplomatisch, mit scharfen Sanktionen gegen die russische Wirtschaft und seine Elite und durch die schnelle Loslösung von Energieimporten aus Russland, auch mit weiteren Waffenlieferungen für die Ukraine, zur Selbstverteidigung. Diese Unterstützung müssen und werden wir fortsetzen und intensivieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darauf geben wir auch in diesem Haushalt zentrale Antworten. Wir haben die 1 Milliarde Euro, die der Finanzminister beim G‑7-Treffen zu Recht versprochen hat, noch in der gleichen Sitzung, in der Bereinigungsnacht, in den Haushalt eingestellt, zur Unterstützung des Haushalts der Ukraine.

Diese Koalition unterstützt Geflüchtete bei der Aufnahme und Integration in Deutschland, im Hinblick auf Wohnungen, im Gesundheitssystem, bei Sprachkursen, bei Kitas, bei Schulen. Ich möchte an dieser Stelle den vielen Menschen, die in Deutschland ehrenamtlich unterstützen und helfen, sagen: Vielen, vielen Dank, dass Sie solidarisch sind!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Wir haben in diesem Haushalt einen Rekordwert von 2,7 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe. Wir haben das Auswärtige Amt im Ergänzungshaushalt und in der Bereinigungssitzung noch einmal deutlich gestärkt – wir kommen jetzt auf einen Rekordwert von 7,5 Milliarden Euro für das Auswärtige Amt –, weil wir jetzt eine aktive Diplomatie brauchen, weil wir gegen diesen brutalen Völkerrechtsbruch international zusammenhalten müssen, weil wir zusammenhalten müssen gegen den Kornkrieg, in dem Wladimir Putin Hunger als Waffe einsetzt. Deswegen ist es wichtig, dass das Auswärtige Amt und die Außenministerin so unermüdlich international dagegen vorgehen und zusammenhalten. Deswegen brauchen wir ein starkes Auswärtiges Amt, und das haben wir in diesem Haushalt geschafft

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben auch das Entwicklungsministerium gestärkt, nachdem die Mittel hierfür im ersten und zweiten Regierungsentwurf deutlich zu gering waren. Im Zuge des parlamentarischen Verfahrens wurden weitere 2,4 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist richtig so, weil es gerade in diesem Etat um globale Gerechtigkeit geht. Die Lücke bei der Eins-zu-eins-Regel ist zwar noch nicht völlig geschlossen, aber sie ist deutlich kleiner geworden. Unsere Erwartung ist, dass diese Lücke in den kommenden Haushalten völlig geschlossen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben in sehr kurzer Zeit, in wenigen Wochen, im Haushaltsverfahren zwei Pakete von über 30 Milliarden Euro zur Entlastung der Bevölkerung und der Wirtschaft geschnürt. Ich begrüße, dass die Bundesfamilienministerin heute weitere Ideen zur Entlastung von Familien und Kindern in der Krise angekündigt hat. Wir müssen die Menschen in diesen schweren Zeiten sozial gerecht entlasten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

An dieser Stelle würde ich mir bei der Union etwas mehr Demut und Selbstreflexion wünschen. Wir haben aufgrund der Pandemie und deren Folgen auch mit diesem Haushalt eine schwere Krise zu bewältigen. Wir haben eine schwere Krise aufgrund der massiven Folgen des Krieges: sozial, ökonomisch, humanitär.

Unsere Nettokreditaufnahme ist deutlich geringer als das, was die Regierung Merkel letztes Jahr geplant hat. Gleichzeitig greifen Sie als Union die Rücklagen für die nächsten Jahre an. Diese Rücklagen wurden unter Angela Merkel eingeplant; die Union will ihre Verwendung jetzt streichen. Wir finanzieren zentrale Bereiche, um gegen diese Krise anzugehen und entsprechend zu investieren. Das ist richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich würde mir auch mehr Demut wünschen.

(Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU]: Das sagt der Richtige!)

Denn wir müssen mit diesem Haushalt und in dieser Koalition viel wegschaffen, was in 16 Jahren unionsgeführter Regierung liegen geblieben ist: die Blockade bei der Energiewende; Missmanagement bei der Bundeswehr; unsere große Abhängigkeit von russischen Energieimporten. Die CO2-Emissionen sind deutlich zu hoch, und beim Klimaschutz ist viel zu wenig passiert. Deswegen, finde ich, kann die Union in diesen Haushaltsberatungen nicht nur Fragen stellen an den Kanzler und die Bundesregierung, sondern sie muss auch Antworten liefern und zeigen, was sie aus 16 Jahren zum Teil falscher Politik gelernt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Apropos Klimaschutz. Natürlich machen wir das Ganze auch, damit Sylt nicht im Meer versinkt; Sylt ist nämlich einfach eine extrem schöne Insel.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Ich war am Himmelfahrtswochenende auch auf Sylt. Ich habe keine Jongleure an der Strandpromenade gesehen. Ich bin mit dem Fahrrad von Wenningstedt nach List gefahren, durch wunderschöne Naturlandschaften, Dünen, Heidelandschaften. Und ich bin auch durch den kleinen Ort Kampen gekommen, Herr Bundesfinanzminister. Wenn man sich dort umschaut, sieht man sehr schöne und teure Sportwagen. Menschen trinken Champagner an jeder Ecke. Man sieht sehr viel glitzerndes Karat.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Haben Sie da angehalten?)

Wenn man sich die Situation vor Augen führt, bekommt man den Eindruck, Herr Finanzminister, dass bei der Umverteilung von Reichtum noch etwas Luft oben ist. Ich würde mir wünschen, dass wir da in der Zukunft gemeinsam zu guten Lösungen kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Peter Boehringer [AfD]: Klassenkampf!)

Ich möchte mich zum Abschied, am Ende meiner Rede, bei der Verabschiedung dieses Bundeshaushaltes und zum Schluss dieses Haushaltsverfahrens, das sehr lang war – zehn harte parlamentarische Wochen –, ganz herzlich bei der demokratischen Opposition, bei den Mitarbeitern des Ausschusssekretariats und dem Vorsitzenden Helge Braun bedanken. Besonders möchte ich mich bei den Koalitionsfraktionen, den Arbeitsgruppen, insbesondere bei Otto Fricke und Dennis Rohde und auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Referentinnen und Referenten bedanken. Wir haben 374 Änderungsanträge in diesem Verfahren auf die Beine gestellt.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Machen Sie bitte einen etwas kürzeren Abschied.

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Schade, aber ich verstehe das. – Wir haben sehr viel hingekriegt in diesem Verfahren. Ich empfehle die Zustimmung zu diesem Haushalt.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Vielen Dank, Herr Kindler. – Es folgt für die CDU/CSU Fraktion Christian Haase.

(Beifall bei der CDU/CSU)