Rede von Jamila Schäfer Haushalt 2023: Auswärtiges Amt, Epl. 05

Jamila Schäfer MdB
07.09.2022

Jamila Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Gysi, ich finde es interessant, dass Sie, nachdem unsere Außenministerin hier mehrere Minuten lang unsere diplomatischen Bemühungen erklärt hat, sagen, dass Sie nicht verstehen, was die diplomatischen Wege sind, die diese Regierung geht. Ich empfehle Ihnen da einfach, das nächste Mal vielleicht ein bisschen aufmerksamer zuzuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mahnen Sie gerne die Regierung, mehr für soziale Entlastung zu tun, aber bitte hören Sie auf, das gegen das Leid der Menschen in der Ukraine auszuspielen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unverschämtheit! Echt!)

Wir haben gerade schon darüber gesprochen: Der russische Angriffskrieg hat schwere Auswirkungen auf die Energie- und Ernährungssicherheit in der ganzen Welt. Die Folgen des Krieges, aber auch die sich verschärfende Klimakrise destabilisieren unsere regelbasierte Ordnung, und sie hinterlassen deshalb auch gefährliche Leerstellen für Demokratiefeinde. In dieser Zeit brauchen wir einen handlungsfähigen Staat und eine glaubwürdige und verlässliche Politik gegenüber unseren internationalen Partnern. Die Finanzierungslücken der Bundeswehr haben wir jetzt geschlossen; bei Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit müssen wir diese Zeitenwende noch schaffen.

Der vorliegende Etat des Auswärtigen Amtes, liebe Kolleginnen und Kollegen – das möchte ich so ehrlich sagen –, wird diesem Anspruch noch nicht gerecht. Wegen der fehlenden Handlungsspielräume gibt es darin zum Beispiel Kürzungen bei der humanitären Hilfe um 500 Millionen Euro

(Otto Fricke [FDP]: Ja, wer hat das denn gemacht?)

und bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik um 55 Millionen Euro.

(Otto Fricke [FDP]: Wer war das denn?)

– Lieber Otto, ich sage ja: Wir haben da einfach noch ein bisschen Arbeit vor uns.

Aber humanitäre Hilfe und Auswärtige Kulturpolitik sind nicht einfach Geschenke an andere Länder. Diese Gelder sorgen für ein Mindestmaß an Menschlichkeit nach Naturkatastrophen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Renata Alt [FDP])

wie etwa den schrecklichen Überflutungen in Pakistan oder bei Hungerkrisen wie derzeit in Somalia. Sie unterstützen die Zivilbevölkerung, zum Beispiel in der Ukraine, die durch die russische Artillerie momentan ihr Hab und Gut verliert. Und sie unterstützen eben auch kritischen Journalismus und die demokratische Zivilgesellschaft. Das ist nicht einfach ein Nice-to-have, das ist unverzichtbar. Diese Gelder erfüllen einen humanitären Zweck, aber sie machen die Bundesrepublik eben auch zu einem verlässlichen Partner in der Welt.

Wir müssen einen Verlust an Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit unserer internationalen Politik in dieser großen Krise vermeiden. Jetzt an den falschen Stellen zu sparen, bedeutet, eine gefährliche Lücke für imperialistische und menschenverachtende Politik von Putin, Xi Jinping und Co weiter zu öffnen. Wir sehen jetzt schon einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust in Afrika, Lateinamerika und Südostasien. Durch humanitäre Hilfe, kluge Infrastrukturmaßnahmen und eine Stärkung der diplomatischen Beziehungen,

(Zuruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

auch im Bildungs- und Kulturbereich, können wir diesen Trend aber umdrehen und unsere Verlässlichkeit unter Beweis stellen; denn Werte verteidigt man am besten, indem man sie selbst vorlebt.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Also, Reden und Handeln passen noch nicht ganz zusammen!)

Glaubwürdigkeit ist das allerbeste Mittel gegen die Autokraten in dieser Welt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch für alle absehbar – für uns auch –, dass wir 2023 weiterhin eine starke Außenpolitik benötigen, um in diesen Zeiten handlungsfähig zu sein. Für diese wichtige Arbeit unserer Außenministerin Annalena Baerbock gegen das Großmachtgehabe von Autokraten in dieser Welt brauchen wir mehr Handlungsspielräume. Wir werden daher im Parlament sicherlich noch viele Debatten darüber führen und auch in den kommenden Wochen an diesem Entwurf weiterarbeiten. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, aber auch mit Ihnen und euch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Gunther Krichbaum das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)