Rede von Stefan Gelbhaar Haushalt 2023: Digitales und Verkehr, Epl. 12

Foto von Stefan Gelbhaar MdB
06.09.2022

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt stellt mit enormen finanziellen Investitionen die Weichen für die Zukunft. Deswegen schauen wir genau darauf, was das Verkehrs- und das Finanzministerium da mit dem Haushaltsentwurf vorschlagen. Im Koalitionsvertrag haben wir als eines der Kernprojekte dieser Koalition vereinbart, die Klimaziele von Paris zu erreichen. Daran müssen sich alle Ressorts messen lassen, und natürlich auch der Verkehrsbereich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist inzwischen nicht mehr nur eine politische Frage, sondern dank des Klimaschutzgesetzes übrigens auch eine rechtliche. Es gibt also ganz klar die Erwartung, dass wir da rechtmäßiges, konsequentes Handeln vorfinden;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn der Verkehrssektor verfehlt die Klimaschutzziele seit Jahren. Der Haushaltsentwurf der Regierung ist an dieser Stelle zu schwach, um daran etwas zu ändern. Deswegen brauchen wir sofort ein schlagkräftiges Klimaschutzsofortprogramm, und das muss dann auch ganz klar im Haushalt verankert sein.

Dabei gibt es diverse Baustellen, um den Verkehr zu vermeiden, zu verlagern, zu dekarbonisieren. Am Wochenende haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, Bus- und Bahntickets mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu fördern, wenn die Länder in gleicher Höhe mitziehen. Das finde ich gut.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Und wenn nicht?)

Der Verkehrsminister ist nun gefordert, die Verhandlungen aufzunehmen. Worum geht es? Ein bundesweites günstiges Ticket wird Autofahrten vermeiden und auch massiv verkürzen. Pendler werden eben nicht mehr in die nächste Tarifzone fahren, um Geld zu sparen. Das hilft, Staus zu vermeiden, und zwar überall.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch wir wissen: Attraktive Tickets allein reichen nicht aus. Die Koalition hat im Koalitionsvertrag deswegen vereinbart, erheblich mehr Mittel in die Schiene als in die Straße zu investieren. Stattdessen steigen im Haushaltsentwurf der Regierung nur die Investitionen in den Straßenbau. Das geht so nicht. Hier muss nachgebessert werden.

Da ist jetzt durch die Beratungen im Koalitionsausschuss schon ein wichtiger Schritt gegangen worden: Die Investitionen in die Schiene sollen um 500 Millionen Euro direkt und dann noch mal um 1 Milliarde Euro im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung erhöht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wird die Kürzung des Regierungsentwurfs für die Schiene zurückgenommen, und das ist gut so.

Doch attraktive Tickets und eine gute Infrastruktur allein reichen noch nicht ganz. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung der Mittel für den Regional- und den Nahverkehr fehlen weiterhin. Ohne diese Mittelerhöhung drohen Angebotskürzungen. Hier sind Verkehrs- und Finanzminister gefragt, nach über einem Jahr endlich zu einer befriedigenden Lösung mit den Ländern zu kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Radfahren. Radfahren schützt das Klima und führt an den Autostaus, auch im Regierungsviertel, vorbei. Das ist sehr wichtig, wie wir wissen. Dafür brauchen wir aber Tausende Kilometer sichere Radwege im ganzen Land. Wir brauchen Rad- und Fußverkehrsbrücken, die Umwege verkürzen. Wir brauchen Radboxen und Fahrradparkhäuser an den Bahnhöfen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Gelbhaar, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Riexinger? – Ich kündige allerdings auch gleich an, dass in dieser Debatte dies die letzte Nachfrage von mir zum Kollegen Riexinger ist.

(Heiterkeit)

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Offensichtlich gibt es da Gesprächsbedarf. Dann mal los.

Bernd Riexinger (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Ich mache das mit den Nachfragen ja eigentlich gar nicht so oft. Von daher mache ich es halt heute mal gehäuft.

Mich würde bei den doch etwas großen Ankündigungen zum Klimaschutz eines interessieren: Wir hatten doch vom Expertenrat eine Benotung des Hauses mit „ungenügend“, was die Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehr betrifft. Der Expertenrat hat dann gesagt, er befasst sich gar nicht mehr mit den einzelnen Maßnahmen, weil sie völlig ungenügend sind. Insofern finde ich es schon irgendwie ein bisschen bedauernswert, dass Sie das als Grüner nicht kritisieren; denn offensichtlich bleibt da das Haus deutlich hinter den selbstgesteckten Klimaschutzzielen zurück. Wäre es nicht gerade Ihre Aufgabe als Grüne, da mal ein bisschen mehr nachzuhaken?

(Frank Schäffler [FDP]: Ich würde sagen: Nein!)

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Riexinger, ich weiß nicht, welcher Rede Sie gerade gelauscht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das Gefühl, dass ich nach dieser Rede von der FDP ein paar Hinweise bekomme, wie ich meine Reden zu halten habe. Deswegen finde ich den Hinweis interessant. Aber ich glaube – – Na ja, ich fahre einfach fort. Vielleicht ergibt sich da noch das ein oder andere.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Sie wollten weitere Bausteine für den Klimaschutz haben; die liegen auf der Hand: Autos müssen endlich elektrisch fahren. Dafür braucht man eine funktionierende Ladeinfrastruktur – vielleicht kommen wir da auch noch miteinander ins Geschäft –, und dafür müssen wir aus dem Planen aus- und endlich ins Machen einsteigen, und zwar hurtig.

Wir können und müssen im Verkehrsbereich übrigens auch sparen. Es ist nicht nur klima- und umweltschädlich, sondern reine Geldverschwendung, wenn man unsinnige Straßenbauprojekte wie etwa die A 100 noch umsetzt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Diesen offenen Konflikt haben wir in der Koalition, und den müssen wir endlich ernsthaft bearbeiten.

Alle wissen: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Also lassen Sie uns Fahrrad, Bus und Bahn säen, bestehende Straßen wie auch Wasserstraßen erhalten, Autos teilen und unnötigen Verkehr vermeiden – Stichwort „Homeoffice“ –, dann wird auch die mobile Ernte gut, nachhaltig und modern sein.

Dazu gehört auch ein weiterer Punkt, nämlich klimaschädliche Subventionen abzubauen. Auch das steht im Koalitionsvertrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch das fehlt noch im Haushaltsentwurf. Seit Jahrzehnten werden drastische Fehlanreize gesetzt, die Haushalt und Klimabilanz des Verkehrssektors belasten. Da müssen wir also ran.

Denn nur so handeln wir dreifach sinnvoll: Erstens. Wir verhindern unnötige Schulden. Zweitens. Wir geben das Geld sozial gerechter aus. Drittens. Wir handeln nicht weiter klimafeindlich. Damit erhöhen wir nichts weiter als unsere täglich sinkende Chance, überhaupt noch den Pariser 1,5-Grad-Pfad einzuhalten.

Das sind für mich, für uns Anspruch und Richtschnur für die kommenden Haushaltsberatungen. Ich wünsche uns allen ein gutes Gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)