Rede von Felix Banaszak Haushalt 2023: Schlussrunde

Felix Banaszak MdB
09.09.2022

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rainer, es ist in jeder Beziehung gut, wenn man auch einmal Fragen stellt. Aber Sie haben nur Fragen gestellt und keine einzige Antwort gegeben, und das von einer Opposition, die so lange regiert hat.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Dann haben Sie aber nicht zugehört!)

Frau Gräßle, Sie haben gesagt: Sie erwarten, dass diese Regierung Gesetzentwürfe vorlegt; das wäre als Opposition nicht Ihre Aufgabe. Ich will Sie einmal daran erinnern: Es gab hier 16 Jahre lang eine Opposition, die sogar Gesetzentwürfe vorgelegt hat. Man kann nicht nur unterschiedlich gut regieren, man kann offensichtlich auch unterschiedlich gut opponieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Frau Wissler, Sie haben gerade ein paar Punkte angesprochen, was die sozialen Fragen dieser Zeit angeht, auf die ich gleich noch genauer eingehen werde. Aber Sie haben spannenderweise auch ein paar Punkte in Ihrer Rede ausgelassen, beispielsweise warum Sie hier sagen, man müsse doch viel schneller aus den fossilen Energien, aus den fossilen Abhängigkeiten aussteigen, während Ihre Fraktion sich gestern entschieden hat – Sarah Wagenknecht hat es gesagt –, den Einstieg in neue fossile Abhängigkeiten faktisch durch das Ende der Sanktionen und damit durch die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu fordern. Was wollen Sie denn jetzt, fossile Abhängigkeiten überwinden oder fossile Abhängigkeiten forcieren und uns damit noch weiter vom Kriegsverbrecher Wladimir Putin treiben lassen? Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich hatte gestern an dieser Stelle einen Wortwechsel mit Frau Wagenknecht und Herrn Ernst. Seitdem häufen sich in den sozialen Medien bei mir die Hasskommentare, die Bedrohungen: Wenn ich mal wieder mit dem Fahrrad in Nordrhein-Westfalen unterwegs sei, könnte es zu einem Unfall kommen. – Jetzt sagen Sie vermutlich, das wäre unfair, das wäre unredlich, Sie mit diesen Dingen in Verbindung zu setzen, nur weil das zufälligerweise passiert, nachdem Sarah Wagenknecht und ich miteinander gesprochen haben.

(Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] schüttelt den Kopf)

Ich möchte Sie fragen: Wie kann es sein, dass Ihre Fraktionskollegin Sevim Dağdelen vor der Parteizentrale der Grünen demonstriert und sagt, die eigentlichen Aggressoren in dieser Zeit seien Annalena Baerbock und Robert Habeck? Diese wirklich irrlichternde, beschämende Relativierung der Kriegsverbrechen Russlands können Sie doch nicht hinnehmen. Wenn Sie das Leid der Menschen, wenn Sie die berechtigten Sorgen der Menschen, ob sie sich die Stromrechnung noch leisten können, instrumentalisieren für diese außenpolitische Irrfahrt, dann haben Sie Ihre Verantwortung nicht ernst genommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Boehringer [AfD]: Sie sind auf dem Irrweg! Unglaublich, was Sie hier machen!)

Meine Damen und Herren, ich mache mir sehr große Sorgen.

(Peter Boehringer [AfD]: Nein, das machen Sie nicht! Sie heucheln! Das ist eine Lüge!)

Ich mache mir sehr viele Gedanken über die sozialen Fragen dieser Zeit. Ich weiß nicht – keiner kann das heute wissen –, ob die Entlastungspakete I, II, III ausreichen werden, um alle Probleme, die die Menschen haben, zu bewältigen. Ich kann Ihnen aber eins sagen: Diese Bundesregierung wird nicht aufhören, sich über diese Fragen Gedanken zu machen und, wenn es notwendig ist, daraus auch die Konsequenzen zu ziehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wenn dieses dritte Entlastungspaket nicht die letzten Fragen beantwortet, dann wird es auch nicht die letzte Entlastung von dieser Bundesregierung gewesen sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Dann wollen Sie noch mehr Steuermilliarden verbrennen!)

In der aktuellen Situation, in der die Inflation eine unbestreitbare Tatsache und eine große Gefahr ist, für Menschen mit wenig Einkommen, aber am Ende für alle, die natürlich auch ein volkswirtschaftliches Risiko mit sich bringt, möchte ich trotzdem die Aufmerksamkeit auf eine andere Gefahr lenken. Wir haben heute überall gelesen, dass die EZB ihren Leitzins erhöht hat. Das bedeutet geldpolitisch, dass Rezessionsdynamiken wahrscheinlicher werden.

Und wenn wir uns als Haushaltsgesetzgeber jetzt fragen, was unsere Aufgabe in dieser Situation ist, dann müssen wir uns auch die Frage stellen: Was können wir tun, um Rezessionsdynamiken ein bisschen weniger wahrscheinlich zu machen? Das bedeutet, dass wir unsere Wirtschaftspolitik, unsere Fiskalpolitik diesen veränderten Realitäten anpassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, in dieser Situation, in der nicht nur viele Menschen mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern auch viele Unternehmen sich fragen: „Können wir demnächst noch produzieren? Sind die Produktionskosten wegen der Strompreise und der Gaspreisexplosion eigentlich noch ausreichend zu bewältigen?“, ist doch vollkommen klar, dass eine soziale Antwort und eine ökonomisch kluge Antwort auf dieses multiple Krisenszenario mit Inflations- und Rezessionsgefahren eine Konjunkturpolitik sein muss, die am Ende dazu führt, dass Unternehmen noch produzieren können. Wenn Unternehmen produzieren, zahlen sie Steuern. Wenn Unternehmen produzieren, gibt es Menschen, die in Unternehmen arbeiten; diese Menschen zahlen dann wiederum Steuern. Wenn wir auch in Zukunft einen ausgeglichenen, einen stabilen Haushalt haben wollen, dann brauchen wir auch die wirtschaftliche Basis, die auf der Einnahmenseite dafür sorgt, dass die Ausgaben, die notwendig sind, auch finanziert werden können.

(Victor Perli [DIE LINKE]: Wo bleibt die Gaspreisbremse?)

In diesem Sinne freue ich mich darauf, dass wir konstruktive Haushaltsberatungen, auch dieses Mal, bei dieser Ampel, haben werden. Ich bin gespannt, ob die Opposition diesmal kreativer, origineller ist als beim letzten Mal und vielleicht auch ein bisschen mehr gegenfinanzierte Vorschläge einbringt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Kollege Fricke, bisher war es üblich, dass man aufgerufen wird, bevor man nach vorne kommt.

Sie haben jetzt das Wort. Herr Kollege Fricke, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)