Rede von Sara Nanni Haushalt 2023: Verteidigung, Epl. 14
Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich langweilt das irgendwie. Klären Sie das doch untereinander.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Wehrbeauftragte Eva Högl! Viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Ampel haben schon Wichtiges darüber gesagt, wie dieser Einzelplan aufgestellt ist, was wir geschafft haben, aber auch, vor welchen Herausforderungen wir noch stehen, wo wir Probleme haben und wo wir schon Lösungen gefunden haben. Deswegen will ich Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf etwas anderes lenken.
In der letzten Woche waren wir mit einer Delegation des Verteidigungsausschusses auf Truppenbesuch im Sahel. Dschihadistische Gruppen bedrohen dort die Zivilbevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. Das Engagement von MINUSMA kann in Mali einen Beitrag für mehr Sicherheit leisten. Die deutsche Ausbildung der nigrischen Streitkräfte hat ebendiese in die Lage versetzt, ebenfalls für mehr Sicherheit zu sorgen. Aber bleiben wir realistisch: mehr Sicherheit, nicht Sicherheit. Angesichts dessen, was man vor Ort erreichen will, kann das nach zu wenig klingen. Für die Männer, Frauen und Kinder in Mali und Niger, die davon profitieren, ist es viel wert.
Auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen belegt Niger den letzten Platz. Durch Dürren, Überschwemmungen, Konflikte und Vertreibungen wird Niger derzeit von der schlimmsten Krise der Ernährungssicherheit in diesem Jahrzehnt heimgesucht. Über 4 Millionen Menschen, 18 Prozent der Bevölkerung, sind auf sofortige humanitäre Hilfe angewiesen.
Im Sahel ist gerade Regenzeit, die Steppe ist vergleichsweise grün. Trotzdem ist das zu wenig, um das Vieh gut zu versorgen. Auf unserer Reise sahen wir ausgemergelte Tiere in der Herde, ab und zu auch Tierkadaver. Die Überflutungen in dieser Regenzeit sorgten allein in Niger für mindestens 75 Tote und über 100 000 Geschädigte. Denn Bäuerinnen und Bauern gehen mit ihren Feldern jedes Jahr wieder zu nah an den Fluss, der eine gute Ernte verspricht, doch lebensbedrohlich sein kann. Andere, sicherere Teile des Landes werfen oft nicht genug ab, um die Bäuerinnen und Bauern und ihre Familien zu versorgen.
Hunger, ein Motorrad und ein Maschinengewehr – viel mehr braucht es nicht, damit sich immer wieder junge Menschen brutalen Gruppen anschließen, um sich selbst zu versorgen, und dabei die Bevölkerung tyrannisieren, Flucht und Vertreibung provozieren, Angst und Schrecken verbreiten. Hunger, ein Motorrad und ein Maschinengewehr.
Das Engagement der Bundeswehr im Sahel steht mit dem Haushalt 2023 nicht infrage, weder in Mali noch in Niger. Gut so! Aber die Posten in den anderen Häusern, die helfen können, Armut zu bekämpfen, sollen laut Regierungsentwurf schrumpfen. Der Beitrag zum Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen soll auf 28 Millionen Euro gekürzt werden, die Ausgaben für die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ um 25 Prozent. Ehrlich gesagt, frage ich mich, warum. Der vernetzte Ansatz der Bundesregierung – die Koordination militärischer und ziviler Mittel zum Erreichen gemeinsamer Ziele – ist ohne entsprechende haushalterische Unterfütterung der zivilen Mittel nicht wirklich gut umzusetzen.
Solange die Lage im Sahel so ist, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten auf Patrouille von Kindern aus der Ferne um Essen angebettelt werden, so lange werden dschihadistische und andere kriminelle Gruppen immer wieder Jugendliche und Erwachsene finden, die sich ihnen anschließen.
(Gerold Otten [AfD]: Wie die Grünen!)
Manche tun so, als bräuchte es kein Militär, um die Lage dort zu verbessern. Wir wissen, dass das nicht stimmt. Motorrad und Maschinengewehr sind auch ohne Hunger tödliche Werkzeuge, und der Dschihadismus lässt sich nicht mit Nahrungsmitteln allein eindämmen.
Ich bin den Soldatinnen und Soldaten im Sahel für ihr Engagement auch in politisch herausfordernden Zeiten sehr dankbar. Was sie dort unter schwierigen Bedingungen leisten, kann man sich hier kaum vorstellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Doch auch humanitäre Hilfe, der Kampf gegen Armut und Entwicklungspolitik sind in der Sicherheitspolitik unerlässlich. Der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland muss dem vollständig Rechnung tragen. Hier müssen wir noch mal ran.
Ich möchte noch zwei Bemerkungen zu der Debatte eben machen, weil mich das wirklich stört. Die erste ist: Frau Ministerin, ich gehe mal davon aus, dass Sie mit „locker-flockig“ nicht den Vorschlag gemeint haben, den ich mit zwei Ampelkollegen zu der Frage gemacht habe, wie wir die Ukraine weiter unterstützen können. Niemand nimmt das locker, und wir wissen alle, dass das keine flockige Situation ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Eine zweite Anmerkung kann ich mir nicht ersparen, und zwar zu der Kollegin von der Linkspartei, auch wenn ich Gefahr laufe, dass Sie sich noch mal dazu äußern können. Was genau schlagen Sie denn vor, sollte Russland das Baltikum angreifen? Kapitulation?
(Ulrich Lechte [FDP]: Wattebäuschchen!)
Was schlagen Sie denn vor, wenn unsere polnischen Nachbarn angegriffen werden? Kapitulation?
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Drei weiße Tauben!)
Auch für Deutschland? Ich glaube, dass die Linkspartei sich dieser Frage stellen muss. Es bereitet mir Schmerzen, Ihnen dabei zuzugucken, wie Sie das einfach nicht tun.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Dr. Marcus Faber, FDP-Fraktion, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)