Rede von Dr. Sebastian Schäfer Haushalt 2024

Dr. Sebastian Schäfer
16.06.2023

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu Herrn Middelberg habe ich den Antrag zumindest gelesen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Und vielleicht überrascht es Sie: Ich finde die Lage in unserem Land in den ersten Sätzen nicht unzutreffend beschrieben.

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Inflation und hohe Energiepreise belasten Bürger

– ich darf hinzufügen: auch Bürgerinnen –

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

und Unternehmen. Die OECD musste kürzlich ihre Wachstumsprognose für Deutschland korrigieren. Die deutsche Wirtschaft soll in diesem Jahr bestenfalls stagnieren, aktuell befinden wir uns bereits in einer technischen Rezession.

Es handelt sich um eine zumindest technische Rezession mit negativem Wirtschaftswachstum in zwei Quartalen hintereinander.

Das fällt nicht vom Himmel. Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seinen Folgen für die Energiepreise und damit auch für die Preisentwicklung insgesamt hat zu massiven finanziellen Belastungen nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen, sondern auch für die öffentlichen Haushalte geführt.

Und, Herr Middelberg, warum sind wir im Vergleich zu den anderen Industrieländern im Moment abgeschlagen? Weil uns die unionsgeführte Große Koalition in eine energiepolitische Abhängigkeit geführt hat, für die wir immer noch einen hohen Preis bezahlen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Metin Hakverdi [SPD] und Markus Herbrand [FDP])

Die Jahre, in denen es mit der Haushaltspolitik so viel einfacher war, sind jäh zu Ende gegangen. Ich will Sie noch mal daran erinnern: Die Zinsausgabenquote ging von 2014 bis 2021 im Vorjahresvergleich in jedem Jahr zurück. Das hatte nichts mit Unionspolitik zu tun. Das war Geldpolitik, und die ist unabhängig. Die Inflation war sehr niedrig, auch die Wachstumszahlen waren ordentlich. Aber auch hier: Das war der Weltmarkt und kein Verdienst der unionsgeführten Bundesregierung.

(Christian Haase [CDU/CSU]: Ach so!)

Wir entwickeln jetzt mit der Ampelregierung ein wettbewerbsfähiges, wohlstandssicherndes und vor allem zukunftsorientiertes Geschäftsmodell für unser Land.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Sie haben in den guten Jahren das Geld verpulvert und sich eben nicht um eine zukunftsfähige Aufstellung für Deutschland gekümmert.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Finanzminister Olaf Scholz! – Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Zuruf des Abg. Christian Haase [CDU/CSU])

Nur ein Beispiel: Die Fachkräftelücke lag 2013 noch bei der Hälfte des Niveaus von heute. Wir kümmern uns endlich um die Sicherung von Fachkräften für unseren Arbeitsmarkt, indem wir zum Beispiel das Einwanderungsgesetz endlich modernisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die OECD – die sprechen Sie in Ihrem Antrag ja auch an – stellt Ihnen rückwirkend ein wirklich miserables Zeugnis aus: Deutschland weist strukturelle Schwachstellen auf und muss seine ökologische und digitale Transformation unbedingt beschleunigen. – Und das macht diese Regierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Karsten Klein [FDP])

Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, warum Sie so eine Eile haben, ins Haushaltsverfahren zu starten. Ich erinnere mich an das letzte Verfahren. Da wurde groß getönt: „Hier mehr Geld, dort mehr Geld“, in vielen Reden hier im Plenum, in allen Zeitungen. Forderung um Forderung wurde erhoben. Am Ende haben Sie davon im Haushaltsausschuss dann wenig konkret gestellt.

Anderes Beispiel: Ihr Umgang mit der Rücklage im Klima- und Transformationsfonds.

(Karsten Klein [FDP]: Oh ja!)

Dieser Fonds ist ein extrem wichtiges Instrument für unseren Weg zur Klimaneutralität. Sie lösen die Rücklage auf, weil Sie sagen: „Die 60 Milliarden Euro gehören da nicht rein“,

(Christian Haase [CDU/CSU]: Verfassung!)

nutzen sie aber dann, um Ihre eigenen Anträge zu finanzieren,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Karsten Klein [FDP])

und beklagen gleichzeitig die bloße Existenz dieser 60 Milliarden Euro in Karlsruhe. Sie werfen der Bundesregierung vor, verfassungswidrig zu handeln, nur um im selben Moment das Gleiche zu tun.

Aber das ist ja der Modus, in dem die Union Oppositionspolitik macht: ohne Lösungsorientierung, im Kern nicht an der Zukunft interessiert. Wir haben das gesehen bei der Finanzierung der Gas- und Strompreisbremse. Sie hatten das Instrument selbst gefordert,

(Christian Haase [CDU/CSU]: Die Gasumlage hatten Sie gefordert! Gasumlage!)

aber die konkrete Finanzierung dann abgelehnt und bis heute keine Alternative zur Finanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgelegt.

Um das klar zu sagen: Wären die haushaltspolitischen Pläne der Union wahr geworden, dann hätte keine einzige Bürgerin, kein einziges Unternehmen in diesem Land eine Unterstützung bei den Energiepreisen bekommen. Das ist unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Haase [CDU/CSU]: Unsinn! – Yannick Bury [CDU/CSU]: Unsinn!)

Wir liefern Ihnen doch jede Woche Anschauungsunterricht, wie ordentliche Arbeit im Haushaltsausschuss aussieht. Die Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition befragen regelmäßig ihre Ministerinnen und Minister kritisch.

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Da ist schon viel Selbstbewusstsein dabei!)

Wir machen mit Maßgabebeschlüssen kluge Vorgaben und achten darauf, dass die Bundesregierung sinnvoll mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger umgeht.

Da kommt von Ihnen oft nichts. Bestes Beispiel war die Verschiebung des Beschlusses des Bundeshaushalts im Kabinett. Früher hätte die Opposition den Bundesfinanzminister in den Ausschuss eingeladen, um den neuen Zeitplan vorzustellen. Von Ihnen ist nichts zu erwarten; das haben wir selbst gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Karsten Klein [FDP] – Christian Haase [CDU/CSU]: Zehn Minuten nach der Presseveröffentlichung!)

Es ist klar: Wir brauchen einen Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt bis zur parlamentarischen Sommerpause. Dass der Haushalt erst in der letzten Sitzungswoche vor der Sitzungspause beschlossen wird, ist keine Seltenheit; Dennis Rohde hat das ausgeführt.

Natürlich ringt die Regierung bei der Aufstellung des Haushalts in einer so schwierigen Situation mit sich. Das kommt nicht von ungefähr. Wir haben was vor, wir haben riesige Herausforderungen, und die Mittel sind begrenzt. Da muss man manchmal auch länger miteinander reden, wo die Prioritäten gesetzt werden können und wo nicht.

Unsere Prioritäten sind klar formuliert: endlich konsequenten und gerechten Klimaschutz betreiben, Anreize für ökologische und digitale Innovationen und zukunftsfähige Geschäftsmodelle schaffen, die erfolgreiche Transformation hin zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft gestalten,

(Martin Erwin Renner [AfD]: Ach ja!)

Schutz vor Kinderarmut, gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und Liberale haben ihre Prioritäten, und jetzt muss das Kabinett das unter Federführung des Finanzministers zusammenführen. Ich gehe davon aus, dass das Anfang Juli gelingt.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)