Rede von Renate Künast Haushalt - Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft

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26.11.2019

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da draußen demonstrieren jedes Jahr im Januar zur Internationalen Grünen Woche Verbraucherinnen und Verbraucher, Bäuerinnen und Bauern und sagen: Wir haben es satt. – Heute sagt, glaube ich, eine andere Gruppe von Bäuerinnen und Bauern auf eine andere Art und Weise: Wir haben es satt.

Um was geht es, meine Damen und Herren? Es geht darum, dass wir uns in den letzten Jahren – man kann fast sagen: Jahrzehnten – immer mehr einen Lebensstil angewöhnt haben, der auf Raubbau basiert. Es ist fast eine imperiale Lebensweise,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Also, jetzt ist es aber mal gut!)

bei der Lebensmittel im Geschäft immer billiger werden, während sie zeitgleich – das merken wir aber an der Kasse nicht – für die Gesellschaft insgesamt, also für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger, egal ob Bauer oder Städter, immer teurer werden. Das ist unser Ausgangspunkt: Die Preise sinken, aber die tatsächlichen Kosten steigen. Und Fakt ist doch, dass immer mehr Menschen das nicht mehr akzeptieren. Man könnte quasi sagen: Die gesellschaftliche Betriebserlaubnis für diese Art, zu wirtschaften, ist beendet worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts von Klimakrise, von Wasserknappheit, von Verlust an Artenvielfalt, also all der Punkte, die eigentlich die Grundlagen für eine gute Landwirtschaft berühren und die für uns Überlebensfrage sind, muss man sagen: Da läuft doch etwas schief. Deshalb stehen wir hier und heute und müssen den Haushalt und unsere Agrarpolitik insgesamt unter dem Gesichtspunkt betrachten: Wie kriegen wir einen Umbau hin, weg von einem agrarindustriellen System zu einem System, das gute, gesunde Lebensmittel produziert, das agrarökologisch mit Rücksicht auf die Natur arbeitet und den Bauernfamilien ein auskömmliches, zuverlässiges Einkommen gibt? Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Bauern leiden heute an langjähriger Untätigkeit. Ich kann nur anschließen an das, was zum Beispiel der Kollege Miersch gesagt hat. Er hat ja fast eine oppositionelle Rede gehalten.

(Rainer Spiering [SPD]: Na, na, na!)

– Ja.

(Rainer Spiering [SPD]: Das war eine konstruktiv begleitende Rede!)

Die Bauern leiden an jahrelanger Untätigkeit. Die Belastung von Natur, Boden, Wasser, die Art der Tierhaltung – unter den Fotos, die da entstehen, leiden mindestens all die Bäuerinnen und Bauern, die gut arbeiten – sind doch auch das Ergebnis dieses Agrarsystems, dieser fehlenden Kontrolle, dieser Fehlleitung von Geldern, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige haben immer gesagt: Ach, wir machen dies nicht, das nicht. – Sie haben eine Düngeverordnung gemacht. Wenige Tage nach der Anhörung, bei der alle Sachverständigen einen bestimmten Wert angegeben haben, den die Pflanze überhaupt aufnehmen kann, kam die Düngeverordnung, nach der die doppelte Menge Gülle ausgebracht werden durfte, meine Damen und Herren. Sie haben eine Düngeverordnung organisiert – da gucke ich jetzt mal in Richtung der Ministerin –, bei der es gar nicht um die Düngung geht. Das ist vielmehr eine Gülleentsorgungsanlage für Massentierhaltung, und das auf der Basis einer Wasserrahmenrichtlinie.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Genau Ihnen schiebe ich die Verantwortung zu – jetzt zeige ich auf die CDU/CSU-Fraktion und nicht auf Frau Klöckner –, weil Sie diejenigen sind, die am meisten blockieren.

(Zurufe von der CDU/CSU)

– Können Sie weniger schrill rufen? Dann verstehe ich Sie auch.

(Karlheinz Busen [FDP]: Sie schreien immer so rum!)

Wissen Sie was: Auf die Bauern da draußen kommen diese ganzen Regeln und auch das Vertragsverletzungsverfahren nach jahrelanger Untätigkeit wie ein Tsunami zu, weil man ihnen lange Zeit das Falsche erzählt hat. Man hat ihnen nicht erzählt, wie Zukunft geht. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eins klar sagen: Wir reden über Verständnis und Respekt. Keine Bauernfamilie, kein Kind, das eine gesunde Umwelt will, kann sich was dafür kaufen, dass wir hier regelmäßig nur das Wort „Respekt“ benutzen. Respekt beweist sich nicht in den Worten, sondern in den Taten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Auch in der Haltung!)

Was wir brauchen, ist sogar mehr als das Agrarpaket, das jetzt hier vorgelegt wird, mehr Umschichtung als von 4,5 auf 6 Prozent. Wir wissen doch alle, dass kein Weg an einem Umbau vorbeiführt. Wenn wir wollen – wir wollen das –, dass es in Zukunft hier, in 10, 20, 30 Jahren, noch echte Landwirtschaft

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Was ist denn echte Landwirtschaft?)

gibt – ich meine damit nicht die Investoren von irgendwo, sondern echte Landwirtschaft mit Bauernfamilien –, dann lassen Sie uns den Mut und die Courage haben, die Agrargelder umzuleiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der agrarindustrielle Investor braucht keine Direktzahlungen, da er sein Geld irgendwo sichert. Lassen Sie uns mal gucken: Was sind die Werte? Wie entwickeln wir ein gesellschaftliches Modell, das Rückhalt hat in der Gesellschaft? Das heißt aber bei der Tierhaltung: weg von diesem Kastenstand, Ende des Kükenschredderns, eine tatsächliche Haltungskennzeichnung, ein Label, das erkennbar ist, eine Perspektive für die Landwirtschaft. Manche reden über die Kunden, die was tun müssen. Aber die Kunden müssen dann auch erkennen können, was sie da jeweils kaufen. Lassen Sie uns mal was Neues auflegen. Lassen Sie uns Courage haben. Es geht nicht nur um die Verbraucher, es geht nicht nur darum, was die Bauern tun, sondern: Wir hier sind der Ort, an dem Politik strukturiert wird, an dem der Rahmen gesetzt, die Leitplanken gelegt werden, meine Damen und Herren.

(Rainer Spiering [SPD]: Auszeit!)

Lassen Sie uns hier anfangen. Lassen Sie uns die Courage haben, das Geld anders auszugeben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns doch mal hier anfangen -

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Aber jetzt nicht mehr.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– mein letzter Satz –, in den Kantinen des Bundes, bei der öffentlichen Beschaffung, meine Damen und Herren. Man kann nicht nur über Respekt reden, -

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– sondern man muss auch dafür sorgen, dass die Bauern nicht im Weltmarkt versauern.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir hier müssen ihre Produkte kaufen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Renate Künast. – Ja, ist was los hier im Haus; ist doch gut.

Nächste Rednerin: Ministerin Julia Klöckner.

(Beifall bei der CDU/CSU)