Haushalt - Einzelplan Verkehr und digitale Infrastruktur

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26.11.2019

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrsbereich hat die größte Bringschuld beim Klimaschutz. Der CO-Ausstoß muss bis 2030 um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Das ist eine gewaltige, aber zugleich machbare Herausforderung. Mit diesem Haushalt kommen wir dem Thema aber nicht näher.

(Sören Bartol [SPD]: Doch!)

Union und SPD vermitteln den Eindruck, wir könnten im Wesentlichen so weitermachen wie bisher, nur müssten wir hier und da etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Das, meine Damen und Herren, ist ein Trugschluss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen fehlt der Mut, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Im Gegenteil: Sie schaffen sogar neue. Jetzt soll Regionalflughäfen ein Teil der Flugsicherungsgebühren erlassen werden. Das ist nichts anderes als ein indirektes Förderprogramm für Billigairlines. Das ist doch unglaublich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Blödsinn! Kompletter Blödsinn! – Sören Bartol [SPD]: Quatsch!)

Die jährlichen milliardenschweren Subventionen für Dieselkraftstoffe liegen unverändert ein Vielfaches über den Geldern für die Förderung alternativer Antriebe mit erneuerbaren Energien. Wie sollen sich alternative und klimafreundliche Technologien durchsetzen, wenn Diesel weiter mit Steuerrabatten bezuschusst wird?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie ändern nichts an den Strukturen. Die Abgaben- und Steuerlast für die umweltfreundliche Eisenbahn ist trotz Mehrwertsteuersenkung im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln extrem hoch. Der Stromsteuersatz ist der zweithöchste in ganz Europa. Deshalb, meine Damen und Herren, muss der Stromsteuersatz auf das europäische Minimum von 0,1 Cent gesenkt werden. Das würde die Bahn stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Bahn ist das ökologische Rückgrat für die Verkehrswende. Doch der Verkehrsminister baut lieber Straßen, als ob es keine Klimakrise gäbe, als ob Digitalisierung und Automatisierung keine Alternativen zum Zubetonieren von Landschaften wären.

In den letzten zwei Jahren ist der Straßenbauetat um 1 Milliarde Euro gestiegen. Ebenfalls ausgeweitet wurden die für die Steuerzahler teuren ÖPP-Projekte. Man stärkt aber nicht die umweltfreundliche Schiene, indem man neue Straßen baut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Viele Straßenaus- und ‑neubauprojekte gehören auf den Prüfstand. Der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan spricht eine klare Sprache: Sollten alle Projekte, die dort aufgeführt sind, umgesetzt werden, steigt der CO-Ausstoß. Das ist das Gegenteil von dem, was wir hier politisch verabredet haben. Deshalb brauchen wir ein klimapolitisches Straßenbaumoratorium.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Und die Elektroautos fahren über den Mond, oder was?)

Ein richtiges Ziel ist es – ich glaube, das eint uns hier –, bis 2030 die Fahrgastzahlen der Bahn zu verdoppeln. Doch dafür müssten endlich die Investitionen in Aus- und Neubau verdoppelt werden, sonst funktioniert das nicht. 3 Milliarden Euro bräuchten wir jährlich, um die im Bundesverkehrswegeplan beschlossenen Projekte umzusetzen,

(Sören Bartol [SPD]: Ihr verhindert doch jedes Projekt!)

aber nur die Hälfte, nämlich 1,5 Milliarden Euro, steht im Haushalt zur Verfügung. So wird es nichts mit der Umsetzung des Deutschland-Takts, und so wird es auch nichts mit der Verdopplung der Fahrgastzahlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mittel wurden im Vergleich zum Haushaltsentwurf sogar gekürzt, etwa bei den Investitionen in Lärmsanierung an Schienenwegen. Für die Elektrifizierung regionaler Bahnstrecken stehen im nächsten Jahr nur 10 Millionen Euro zur Verfügung,

(Kirsten Lühmann [SPD]: Es gibt Haushaltsreste, und das weißt du auch!)

für die Sanierung kleiner Bahnhöfe 35 Millionen Euro, und das bei einem Gesamtetat von 30 Milliarden Euro. Das ist keine Investitionsoffensive für die Verkehrswende, das ist reine Kosmetik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Die Bahn braucht mehr Geld, aber nicht ohne eine grundlegende Strukturreform des Konzerns und eine Fokussierung auf das Kerngeschäft. Wir wissen bis heute nicht, was eigentlich die Bedingungen für die jährliche Kapitalerhöhung in Höhe von 1 Milliarde Euro bei der Bahn sind. Stattdessen erleben wir einen öffentlich ausgetragenen Machtkampf in der Chefetage der Bahn und einen Verkehrsminister, der eine öffentlichkeitswirksame Brieffreundschaft mit dem Bahnchef pflegt. Das alles löst keine Probleme, das ist reine Showpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir müssen den Investitionsstau – das ist schon gesagt worden – bei der Bahn endlich abbauen. Das System der Verkehrsfinanzierung muss deshalb geändert werden. Derzeit gilt die Regel „Straße finanziert Straße“. Steigende Einnahmen aus der Erhöhung und Ausweitung der Lkw-Maut führen zu zusätzlichen Investitionen in Straßenneubau. Wir brauchen aber eine Abkehr von diesem Prinzip. Notwendig sind zusätzliche Investitionen in die Schiene, beispielsweise auch in die Reaktivierung von Bahnstrecken. Deshalb muss künftig gelten: Verkehr finanziert Verkehrswende.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wirksamer Klimaschutz braucht mutige Entscheidungen. Dieser Haushalt dokumentiert den fehlenden Willen und das Versagen der Großen Koalition in der Klimaschutzpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jurk [SPD]: So ein Blödsinn!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Als Nächster hat das Wort der Bundesminister Andreas Scheuer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Noch-Bundesminister! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass der noch da ist! Wahnsinn, dass der sich das traut! – Gegenruf des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ein bisschen zurückhaltend bitte!)