Rede von Sven-Christian Kindler Haushaltsfinanzierung

Foto von Sven-Christian Kindler MdB
21.09.2023

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen wirren Verschwörungsideologien will ich zur Sache zurückkommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Es ist so peinlich!)

Haushaltsbegleitgesetze sind nie eine erfreuliche Sache. Aber sie sind notwendig; das hängt einfach auch mit den letzten Jahren zusammen. Die Krisen der letzten Jahre schlagen voll auf den Haushalt durch. Corona, der russische Angriffskrieg, die Klimakatastrophe, der fossile Energiepreisschock – alles das belastet auch den Haushalt. Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz zeigt jetzt die Bundesregierung und auch diese Koalition, dass sie handlungsfähig ist und auch in schwierigen Zeiten einen Haushalt aufstellen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und natürlich: Hätten wir Grünen alleine ein Haushaltsfinanzierungsgesetz aufgestellt, wäre es anders gewesen. Natürlich hätten wir einen stärkeren Schwerpunkt auf eine gerechte Steuerpolitik oder auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen gesetzt, was eine doppelte Dividende wäre: für das Klima und für den Haushalt. Aber am Ende entscheidet in einer Koalition, in einer parlamentarischen Demokratie eben keine Fraktion alleine, sondern man muss auch Kompromisse machen. Es zeichnet diese Ampel aus, dass für alle Partner Kompromisse drin sind, wenn die auch nicht einfach sind. Aber am Ende haben wir ein Haushaltsfinanzierungsgesetz, mit dem wir im parlamentarischen Verfahren arbeiten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zur Kritik der Union am Elterngeld. Natürlich ist das gleichstellungspolitisch ein schwieriges Signal. Das wissen wir, und das macht uns Sorgen. Trotzdem: Unter den gegebenen Einsparvorgaben des Kabinetts war das noch die beste unter den schlechten Varianten, die es gab, und auch die gerechteste. Es ist zukünftig so, dass Paare mit einem Einkommen von brutto rund 180 000 Euro kein Elterngeld mehr erhalten. Aber Mittelschichtsfamilien, viele Elternpaare mit kleinen Einkommen erhalten weiterhin das volle Elterngeld. Das halten wir für gerecht, und unter den gegebenen Einsparvorgaben ist das die beste Lösung, die wir finden konnten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will darauf hinweisen: Die Union wollte in den letzten Haushaltsberatungen den Elterngeldtitel um 150 Millionen Euro absenken.

(Otto Fricke [FDP]: Nein?)

Obwohl es eine gesetzliche Pflichtleistung ist, wollten Sie ihn absenken, weil Sie gesagt haben, es handle sich um eine Anpassung an den Bedarf. Für mich klingt das nach einem Widerspruch, liebe Union, was Sie hier beim Elterngeld vorführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Otto Fricke [FDP], an die Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] gewandt: Ja, Frau Kollegin! – Gegenruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Null Verständnis für Alleinerziehende!)

Otto Fricke hat schon darauf hingewiesen: Sie haben heute hier einen Antrag vorgelegt, in dem Sie keinen einzigen Vorschlag zur Gegenfinanzierung machen. Frau Launert, Sie haben gesagt: Man muss sparen, man muss den Haushalt konsolidieren. Ich zitiere noch mal, was Sie im vorliegenden Antrag zur Gegenfinanzierung geschrieben haben: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … dauerhafte Einsparpotenziale im Bundeshaushalt zu identifizieren …“

(Otto Fricke [FDP]: Peinlich!)

Also: Die CDU/CSU-Fraktion hat keinen einzigen Vorschlag zur Gegenfinanzierung. Das, was Sie hier gemacht haben, halte ich, ehrlich gesagt, schon für ziemlich peinlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dennis Rohde [SPD]: Scheinheilig! – Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Aber Sie wissen ja auch nicht, wo der Bundestag und das Reichstagsgebäude mit Reichstagskuppel stehen. Sie denken ja, das wäre hier der Präsidentenpalast in Tiflis. Da wundert mich nicht, dass Sie von der Union auch in der Haushaltspolitik so verwirrt sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Im Haushaltsfinanzierungsgesetz wird auch der Klima- und Transformationsfonds angepackt. Es ist richtig, dass wir jetzt im Kernhaushalt, mit Eigenkapitalerhöhungen und mit dem Klima- und Transformationsfonds die Deutsche Bahn, die Schiene extrem stärken. Wir stärken die Infrastruktur im Bereich Schiene. Seit Jahrzehnten wurde nicht so viel Geld für die Schiene in die Hand genommen. Wir werden in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld in den Bereich Schiene als in den Bereich Straße geben. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, den wir mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Michael Donth [CDU/CSU]: Dafür verdoppeln Sie doch die Lkw-Maut!)

Gleichzeitig will ich sagen: Wir finanzieren damit auch die Mikroelektronik. Das ist für unsere Fraktion kein einfacher Weg. Wir unterstützen das in der Sache; aber der Finanzierungsweg ist durchaus problematisch. Ich will klar sagen: Der Hauptzweck des Klima- und Transformationsfonds ist der Klimaschutz, und er darf kein Instrument für allgemeine Wirtschaftspolitik werden.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das wird er jetzt aber!)

Wir werden jetzt zusammen im Haushaltsausschuss das Haushaltsfinanzierungsgesetz beraten. Ich freue mich, wenn die Union dann konstruktive Vorschläge einbringt und sie nicht wie in den Reden hier im Plenum nur sagt: „Man muss noch viel mehr sparen, man muss konsolidieren; man muss die Schuldenbremse noch ganz anders einhalten“, aber wenn es darauf ankommt, sie wie in der letzten Woche und in dieser Woche nur Anträge vorlegt, in denen es um mehr Geldforderungen geht. Liebe Union, das passt nicht zusammen. Wir warten auf Ihre konstruktiven Vorschläge im parlamentarischen Verfahren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Die Beiträge von Frank Junge für die SPD, Dr. Gesine Lötzsch für Die Linke und Ingo Gädechens für die CDU/CSU nehmen wir zu Protokoll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Ich schließe die Aussprache.