Rede von Dr. Tobias Lindner Haushaltsgesetz 2020

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29.11.2019

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, geschätzte Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU probiert in jüngster Zeit, sich witzig und innovativ zu geben.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir sind es schon!)

– Das glauben Sie. – Sie haben diese Woche im Internet ein Bild veröffentlicht mit der Überschrift „Wir stehen zu unserem Fetisch“.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kam doch gut an!)

Da war dann eine schwarze Null mit einer Lederkappe obendrauf zu sehen. Das mag vielleicht witzig sein, und Sie mögen vielleicht auf dem Reeperbahn Festival damit auftreten können,

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ich bin mir nicht so sicher!)

aber ich kann Ihnen eines verraten: Die besten Werbeagenturen und die originellsten Sprüchemacher können vielleicht nette Sharepics erzeugen, aber mit Sicherheit keine vernünftige und zukunftsgerichtete Finanz- und Haushaltspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Deswegen machen wir das ja!)

Seien wir doch ganz ehrlich: Ihre schwarze Null, bei der Sie sich seit Jahren gegen den Vorwurf gewehrt haben, sie sei ein Fetisch, feiern Sie heute als solchen ab. Ihre schwarze Null ist doch von einem selbstgesteckten, durchaus ambitionierten Ziel inzwischen zu einer leeren Hülle, zu einem Pappkameraden verkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Besser als ein Klassenkamerad!)

Wir könnten ja darüber streiten, ob das die richtige Haushaltspolitik ist, wenn Sie sie wenigstens selbst verfolgen würden, wenn Sie wenigstens eine Haushaltspolitik betreiben würden, die dazu führt, dass die Einnahmen die Ausgaben im Bundeshaushalt 2020 decken. Was machen Sie stattdessen? Sie tricksen herum. Sie legen hier heute einen Haushalt vor, bei dem Sie nicht nur 10 Milliarden Euro aus der Rücklage nehmen, nein, sondern bei dem Sie auch eine globale Minderausgabe ausweisen. Das heißt, Sie müssen am Ende 5 Milliarden Euro weniger ausgeben, als im Finanzplan vorgesehen ist. Das hat nichts mit einer schwarzen Null zu tun, das hat noch weniger mit einer vernünftigen Haushaltspolitik zu tun: Das ist gewürfelte Haushaltspolitik, das ist Chaos, was Sie uns heute hier vorlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das sagst du seit Jahren, und am Ende hat es immer geklappt!)

– Kollege Kahrs, gerade wegen des Themas Reeperbahn Festival sollten Sie ganz still sein.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)

Das Bild von der schwäbischen Hausfrau ist ja in dieser Woche oft bemüht worden. Überlegen wir uns einmal, was ein schwäbischer Hausmann oder eine schwäbische Hausfrau in so einer Situation tun würde. Er oder sie würde, wenn das Haus verfällt, wenn die Firma, der mittelständische Betrieb investieren muss oder vor neuen Herausforderungen steht, doch nicht hergehen und einfach nur darauf schauen, ob man das alles mit Eigenkapital finanzieren kann. Vielmehr wird jemand, der sich wirklich Sorgen um die Zukunft macht, doch sagen: Ich muss, weil ich verantwortungsbewusst bin, zu einem gewissen Teil Fremdkapital aufnehmen. Ich kann doch mein Haus nicht verfallen lassen, nur um am Ende des Tages eine schwarze Null auf dem Zettel zu haben. – So ist doch die Lage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dieser Situation sagen wir Grüne ganz eindeutig: Wir dürfen nachhaltige Haushaltspolitik doch nicht gegen die Herausforderungen der Klimakrise ausspielen. Was wir Ihnen heute vorlegen, ist ein klarer Vorschlag, der die Maastricht-Kriterien einhält und der nicht zurückgeht in die Zeit vor der Schuldenbremse, sondern der sagt: Wir sind bereit, in einem begrenzten Umfang neue Schulden aufzunehmen – bis zu den berühmten 60 Prozent, die der Maastricht-Vertrag vorsieht –, wenn sie zweckgebunden sind

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das sind sie immer! Was ist das für ein Quatsch?)

und wenn sie zusätzlichen Investitionen in diesem Bundeshaushalt dienen;

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

denn unsere Kinder und unsere Enkelkinder haben doch nichts davon, wenn wir am Ende zwar über Jahre hinweg die schwarze Null eingehalten haben, aber das Klima in 20, 30 Jahren irreversibel kippt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Was Sie stattdessen mit dem Haushalt 2020 machen, ist die Taktik „Augen zu und durch!“. Dieser Pappkamerad mit der Lederkappe, den Sie da ins Schaufenster gestellt haben, ist das Letzte, was Ihre Haushaltspolitik am Ende des Tages ausmacht, und das ist in diesen Tagen zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie regieren dieses Land unter Ihren Möglichkeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen gezeigt, wie es wirklich geht. Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen viele Vorschläge gemacht, wie man nachhaltige Finanzpolitik mit zukunftsweisender Klimapolitik vereinbaren kann. Sie glauben vielleicht, dass Sie uns heute hier etwas vorlegen können, womit man aufs Reeperbahn Festival gehen kann; aber aus unserer Sicht ist der Haushalt 2020 ein Trauerspiel. Wir lehnen ihn ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Tobias Lindner. – Nächster Redner in der Debatte: Bundesminister Olaf Scholz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)