Rede von Sven-Christian Kindler Haushaltsgesetz 2020

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29.11.2019

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während wir hier debattieren, findet draußen vor unserer Tür und in über 500 Städten in Deutschland der Klimastreik statt. Hunderttausende Menschen sind heute wieder auf der Straße gegen die Antiklimapolitik der Bundesregierung. Sie wollen eine Regierung, die endlich ernst macht beim Klimaschutz, und kein Pillepalle mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Offenbarungseid. Damit werden wir nie im Leben das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten. Das 1,5-Grad-Ziel ist damit nicht zu erreichen. Das sieht man auch im Haushalt. Sie subventionieren weiter die Flugindustrie, Sie subventionieren weiter den schmutzigen Diesel, und die Klimaschutzausgaben rechnen Sie sich brutal schön. Die Wahrheit ist doch, wenn man ehrlich rechnet, dass die Hälfte der Klimaschutzausgaben schon längst im Energie- und Klimafonds eingeplant war. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genauso ambitionslos und zukunftsvergessen wie die Klimapolitik ist Ihr Bundeshaushalt. Auf die großen Herausforderungen – Klimakrise, Digitalisierung, Investitionsschwäche, die soziale Spaltung dieser Gesellschaft – gibt es kaum Antworten in diesem Haushalt. Stattdessen haben sich CDU/CSU und SPD diese Woche selbst beklatscht, selbst gelobt,

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Einer muss es ja tun!)

gesagt, wie schön doch das Reeperbahn Festival ist, was für tolle Musik dort gespielt wird. Darüber haben wir gerade geredet. Ich kann ankündigen, dass unser Fraktionsvorsitzender Toni Hofreiter als Stargast das Reeperbahn Festival besuchen wird,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil es wirklich ein sehr schönes Festival ist. Leider ist Ihr Haushalt nicht so schön wie das Reeperbahn Festival. Das klingt für mich in dieser Woche vielfach nach Autosuggestion, nach Selbstbeweihräucherung. Mit der Realität hat das leider wenig zu tun.

(Beifall der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn in der Realität da draußen schließen der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund ein Bündnis und fordern die Regierung gemeinsam auf, die schwarze Null zu kippen. Gemeinsam fordern sie Sie auf, endlich mehr zu investieren – Arbeitgeber, Arbeitnehmer gemeinsam. Genauso fordern das seit Monaten zahlreiche Ökonomen. Doch Sie feiern sich hier bräsig für Ihren Haushalt. Mir kommt es vor, als hätten Sie keine Ahnung mehr, was in der Wirtschaft los ist, als hätten Sie keine Ahnung mehr, was eigentlich die wirtschaftliche Realität in Deutschland ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nichts symbolisiert das eigentlich besser als ein Sharepic der CDU Deutschland diese Woche auf Twitter. Mein Kollege Tobias Lindner hat das schon erwähnt. Da sieht man eine schwarze Null mit einer Ledermütze, und da steht: „Wir stehen zu unserem Fetisch. CDU“ Nun, so hat jeder seinen eigenen Fetisch. Ich finde das voll okay. Endlich stehen Sie auch dazu. Nur weiß man auch – gerade beim Reeperbahn Festival –, dass man einen Fetisch, den man auslebt, nicht aufoktroyieren darf. Da muss man auf Gegenseitigkeit achten, das muss man freiwillig machen. Das darf man dann nicht aufzwingen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe CDU, deswegen wäre mein Vorschlag: Leben Sie doch Ihren Fetisch in der CDU aus. Da galt bis Ende der 90er-Jahre ja eher der Fetisch „schwarze Kasse“ statt „schwarze Null“.

(Beifall des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Aber bitte beschädigen Sie mit Ihrem Fetisch doch nicht diesen Staatshaushalt. Beschädigen Sie bitte nicht die Investitionen in unsere Zukunft und für nachfolgende Generationen. Im Haushalt brauchen wir doch Vernunft und keinen Fetischismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das einzige Argument in dieser Haushaltswoche gegen mehr Investitionen aus den Reihen der Koalition – gerade auch gehört vom Kollegen Alois Rainer – war ja: Es gibt ein Problem mit der Umsetzung. – Ja, das stimmt. Aber wer ist denn zuständig für die Umsetzung der Investitionen? Wer senkt denn die Investitionen im Finanzplan? Wer ist für den Mittelabfluss zuständig? Wer kann hier das Planungsrecht ändern? Wer kann hier mehr Planerinnen und Planer einstellen?

(Johannes Kahrs [SPD]: Wir nicht! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wer blockiert Änderungen im Planungs- und Baurecht? Das ist die Frage!)

Wer ist zuständig für eine verlässliche Investitionsstrategie? Genau, das ist die Koalition, das ist die Regierung. Also beschweren Sie sich doch nicht. Maulen Sie doch nicht rum. Seit sechs Jahren regieren Sie. Machen Sie doch endlich mal was. Kümmern Sie sich endlich mal darum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dennis Rohde [SPD]: Machen wir doch! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Blockiererfraktion!)

Es geht auch anders. Wir haben hier konkrete Vorschläge vorgelegt, wie man 100 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren in den Klimaschutz investieren kann, wie man klimaschädliche Subventionen abbauen kann,

(Johannes Kahrs [SPD]: Die Grünen können nicht mit Geld umgehen! Das war schon immer so!)

wie man die Chancen der Niedrigzinsphase nutzen kann. Man muss es eben auch wollen, man muss es machen. Darum geht es.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Und um das Ende der Redezeit.

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. Man muss jetzt arbeiten, jetzt anpacken, jetzt investieren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Sven-Christian Kindler. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Sonja Amalie Steffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig!)