Rede von Tessa Ganserer Industrieemissionen

Tessa Ganserer
11.05.2023

Tessa Ganserer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist unstrittig, dass in Sachen Luftreinhaltung seit den 80er-Jahren erhebliche Verbesserungen erzielt wurden. Aber ebenso unstrittig ist es, dass Luftschadstoffe in Europa für zahlreiche Atemwegserkrankungen und für jährlich Tausende vorzeitige Todesfälle verantwortlich sind. Deshalb sind hier deutliche Verbesserungen dringend geboten; eine Reduktion der Luftschadstoffe ist unerlässlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist Panikmache!)

– Das ist keine Panikmache, sondern traurige Realität.

Wir Grünen begrüßen daher, dass die Europäische Kommission Pläne vorgelegt hat, nicht nur die Industrieemissionsrichtlinie zu überarbeiten, sondern auch die Luftreinhaltepolitik insgesamt anzupassen. So ist auch vorgesehen, die Luftreinhalterichtlinie zu überarbeiten und die Grenzwerte in Europa endlich entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation anzupassen. Für uns reicht es aber nicht, wenn wir die Grenzwerte verschärfen. Für uns ist unerlässlich, die Luftreinhaltepolitiken insgesamt besser zu verzahnen und die Instrumentarien scharfzustellen, damit sie wirken und wir die Zielwerte einhalten können. Was in Zukunft nicht mehr passieren sollte, ist, dass am Ende die Kommunen die Leidtragenden sind und unliebsame Maßnahmen wie Fahrbeschränkungen und Fahrverbote erlassen müssen, damit sie die Grenzwerte einhalten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Industrieemissionsrichtlinie, um die es bei den beiden vorliegenden Anträgen geht, ist das zentrale europäische Regelwerk in Bezug auf die Regulierungen der Emissionen aus industrieller Tätigkeit. Sie wirkt, aber sie muss in Zukunft besser wirken. Das wird auch passieren. Entsprechend dem Impact Assessment der Europäischen Kommission wird dem Vorschlag der Überarbeitung der Richtlinie ein hoher Umweltnutzen attestiert. Der Wert der gesundheitlichen Vorteile, der durch die Maßnahmen erzielt werden kann, erstreckt sich auf 860 Millionen bis 2,8 Milliarden Euro pro Jahr an Gesundheitsnutzen. Dabei sind die Vorteile, die sich aus der Ausweitung des Geltungsbereichs im Bereich Tierhaltung ergeben, noch nicht einmal mit eingerechnet. Im Antrag der Union blenden Sie diesen positiven Effekt in der volkswirtschaftlichen Betrachtung gänzlich aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und die negativen Aspekte?)

– Ja, ich komme gerne dazu.

Sie führen eine ganze Reihe von Punkten in Ihrem Antrag auf, die aber in Teilen widersprüchlich sind. Auf der einen Seite möchten Sie, dass einheitliche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, und auf der anderen Seite kritisieren Sie genau das, was dazu führen wird,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber einheitliche Wettbewerbsbedingungen und Grenzwerte auf einem Niveau, die einhaltbar sind! Das ist der Unterschied! – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Deshalb müsste man nicht das Verfahren umkehren!)

dass wir endlich einheitliche Wettbewerbsbedingungen haben. Ich erkläre es Ihnen gerne am Beispiel der Einführung verbindlicher Umweltmanagementsysteme. Die sind bei uns in Deutschland für die Industrie längst Standard. Ich vermisse hier,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ich war sogar im EU-Parlament, als wir das auf den Weg gebracht haben! Aber die Verschärfung ist das Problem!)

dass Sie die Leistungen unserer Bundesregierung anerkennen, die sich dafür eingesetzt hat, dass in Zukunft bestehende Managementsysteme wie EMAS oder ISO 14001 Gültigkeit haben. Das muss doch auch in Ihrem Sinne sein. Ihre Befürchtung, dass hier durch Umweltmanagementsysteme zusätzliche Bürokratie geschaffen wird, läuft ins Leere. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die Verschärfung ist das Problem!)

Um sachlich zu bleiben, noch ein weiterer Punkt. Von Ihnen wird behauptet, dass die Richtlinie dazu führen würde, dass sofort alle Unternehmen nachrüsten müssen. Auch das ist nicht der Fall. Für bestehende Anlagen wird weiterhin die gesamte Bandbreite der besten verfügbaren Techniken gelten.

Ich fasse zusammen: Mit der Industrieemissionsrichtlinie wird das Leitbild einer nachhaltigen Produktion weiterentwickelt. Ziel ist es, so ein hohes Umweltschutzniveau insgesamt zu erreichen. Das trägt dazu bei, das Ziel des Green Deal zu erreichen, nämlich CO2-Neutralität, höhere Energieeffizienz, eine schadstofffreie Umwelt, null Umweltverschmutzung und Kreislaufwirtschaft.

(Beifall der Abg. Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Nils Gründer [FDP])

Der Vorschlag der Europäischen Kommission mit den erreichten Verbesserungen, die die Bundesregierung in die Verhandlungen eingebracht hat, ist sachgerecht, ausgewogen und dringend geboten. Die Anträge von Union und AfD sind deshalb abzulehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Anja Weisgerber.

(Beifall bei der CDU/CSU)