Rede von Katrin Göring-Eckardt Infektionsschutzgesetz

Katrin Göring-Eckardt am Redepult des Deutschen Bundestages

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18.11.2021

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine sehr berühmte deutsche Bundeskanzlerin hat mal gesagt: Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen. Da siegt zum Schluss immer die Wand.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Lachen bei der CDU/CSU)

Und es wäre schon hilfreich, die Wand zu sehen.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Die Wand werden Sie noch spüren!)

Es wäre schon hilfreich, die Wand zu sehen, die Sie nicht nur nicht eingerissen haben,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

sondern wo Sie noch nicht mal verstanden haben, wo die Tür ist.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Oder gesehen haben, dass es gar keine Wand ist!)

Meine Damen und Herren, das, was gerade in unserem Land passiert, in den Krankenhäusern insbesondere, ist dramatisch, und es wird noch dramatischer werden; denn die Infektionen können wir nicht zurückdrehen. Es werden sich weitere Menschen anstecken, werden erkranken, und viele schwer. Mir macht das riesige Sorgen. Und ich sage sehr klar und bewusst: Wir befinden uns in einer Notsituation, die Krankenhäuser ganz besonders, und darauf müssen wir reagieren, und zwar jetzt, und zwar konsequent, und zwar gemeinsam – Bund, Länder, Kommunen, Bürgerinnen und Bürger –,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und da beenden Sie die Lage!)

und das ist das, was wir heute hier in diesem Parlament besprechen, so wie es in der Demokratie gut und üblich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Natürlich könnte ich mich jetzt hierhinstellen und sagen, was alles nicht getan wurde, um gar nicht erst in diese Situation zu kommen, Herr Stracke; denn die Rechtslage, die Sie hier einklagen, besteht ja. Ich könnte fragen: Seit wie vielen Wochen und Monaten hat denn eigentlich das Coronakabinett nicht getagt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich könnte fragen: Wo ist eigentlich der große Plan zum Boostern, den man spätestens zu Beginn des Septembers hätte besprechen müssen, vom Bund aus mit den Ländern?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich könnte fragen: Warum gibt es eigentlich nicht viel mehr und längst flächendeckend 2 G oder von mir aus auch regionale Lockdowns, die Sie gefordert haben, die aber nicht stattgefunden haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Aber heute, meine Damen und Herren, an diesem Tag erwarten die Menschen in unserem Land zu Recht, dass wir uns hier zusammenreißen und handeln. Es interessiert nämlich niemanden, keinen Intensivmediziner und keine Intensivmedizinerin und noch nicht mal den Ungeimpften am Beatmungsgerät, ob hier die einen Opposition üben und die anderen sich anschicken, eine Regierung zu machen. Es interessiert niemanden, dass wir in einer Zwischenzeit sind. Vielmehr ist tatsächlich die einzige Möglichkeit, die wir hier als Parlament gemeinsam haben, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen, und das erwarte ich auch von Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich erwarte das übrigens auch bei den Gesprächen mit den Ministerpräsidenten und im Bundesrat.

Eins nervt mich wirklich: Wer die Notsituation, in der wir jetzt gerade sind, mit dem rechtlichen Konstrukt der epidemischen Lage gleichsetzt, verkennt, worum es geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn wir sind nicht im Jahre null der Pandemie, wir sind im zweiten Jahr; und wir wählen ein Verfahren, das alles in sich hat, was es jetzt braucht: Parlament, Debatte,

(Zurufe von der CDU/CSU: Handeln!)

Anhörungen von Expertinnen und Experten und wieder Debatte und Beschluss und dann den Bundesrat, meine Damen und Herren.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was hatten wir denn bisher?)

Das ist das, was wir machen. Das ist übrigens auch der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir sagen: Diese Parlamentsdebatte ist das A und O. – Es reicht nicht, hier nur die Hand zu heben und zu sagen: „Wir haben eine epidemische Notlage“, sondern wir müssen uns hier auch tatsächlich damit auseinandersetzen, um welche Maßnahmen es geht und welche wirksam sind. Und Herr Brinkhaus kommt heute noch nicht mal an dieses Pult!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen rechtssichere Maßnahmen. Bei einem Zweidrittelanteil der Geimpften kann man eben nicht handeln wie in einer Zeit, als der Impfstoff noch nicht mal für alle über 70-Jährigen reichte. Corona verschwindet doch nicht, wenn Sie jetzt hier die epidemische Lage von nationaler Tragweite beschließen. Corona bekämpfen wir durch Maßnahmen und durch Impfen. Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich dem stellen: Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, und wie schaffen wir es mit dem Impfen? Das ist in vielerlei Hinsicht die Aufgabe, vor der wir alle gemeinsam – und hoffentlich auch die Länder – stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Paket – Frau Dittmar hat zu Recht darauf hingewiesen – beinhaltet deutlich mehr, als wir bisher hatten. Homeoffice oder 3 G: Damit schützen wir die Arbeitsplätze. Wir schützen den öffentlichen Verkehr mit 3 G in den Zügen. Natürlich ist das kontrollierbar: mit Stichproben, wie man das eben in solchen Fällen macht. Wir ermöglichen vieles Weitere in den Ländern. Masken in Schulen sollten selbstverständlich sein.

(Zuruf von der AfD: Setzen Sie doch selbst eine Maske auf!)

Wenn man in Nordrhein-Westfalen einerseits Karneval feiern will und sagt: „Das war schon ganz prima“, und andererseits übermorgen sagt: „Wir haben aber eine riesige Notlage“, dann ist das für mich jedenfalls nicht glaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es ist möglich, überall Auflagen auszusprechen. Es ist möglich, Veranstaltungen auch abzusagen. Sie können jetzt sehr drastische Maßnahmen ergreifen, auch in Sachsen, auch in Bayern. Wir sind auf Sie zugegangen und haben gesagt: Solche Maßnahmen haben einen längeren Übergang. – Das haben wir auf Ihre Bitte hin im Hauptausschuss für den Zeitraum bis über den dritten Advent hinaus beschlossen. Dann muss es aber bitte auch gemacht werden, meine Damen und Herren, und zwar jetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir brauchen einen Schutzwall im öffentlichen Leben und besonders dort, wo es um die Kinder und Jugendlichen geht. Deswegen steht zum ersten Mal in diesem Gesetz, dass wir die Pflicht zur Berücksichtigung der Situation von Kindern und Jugendlichen haben – die Pflicht! Das heißt, jede Maßnahme muss in Zukunft daraufhin überprüft werden, wie Kinder gegen Corona geschützt werden und wie man dafür sorgt, dass Schulen und Kitas so lange wie möglich aufbleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])

Wir sind in einer wahnsinnig schwierigen Situation. Es geht hier um Gefahrenabwehr, und es geht nicht ohne Impfen. Ich hoffe sehr, dass der Plan zum Impfen den Ländern sehr bald vorgelegt wird, dass wir als Bund alles dafür tun, dass überall geimpft wird, wo es nur geht, angefangen bei den Apotheken bis hin zu den mobilen Impfteams.

Von Ihnen, Herr Brinkhaus, Herr Dobrindt, von Ihrer gesamten Fraktion – Sie trauen sich ja heute noch nicht mal hierher ans Pult – verlange ich,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Mitverantwortung zu übernehmen. Ich lade Sie ein; ich lade die Länder ein. Und ich hoffe sehr, dass wir in diesem Land zeigen: Wir können gemeinsam in einer schwierigen Situation Verantwortung übernehmen, und es stiehlt sich niemand weg, wenn es dann wirklich unbequem wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als nächster Redner hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann.

(Beifall bei der FDP – Christian Görke [DIE LINKE]: 20. März!)