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09.12.2021

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Bild“-Zeitung bläst zum Sturm: „Der Teuer-Schock!“, in XXL, und die AfD verlängert das mit ihrem Antrag bis hier in den Deutschen Bundestag. Das ist einfach nur infam.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, es ist so: Im Vergleich zum November 2020 sind die Preise im Monat November 2021 um 5,2 Prozent gestiegen. Die 5,2 Prozent sind aber weit weg von einer XXL-Inflation oder gar irgendeiner Hyperinflation. Eine ähnlich hohe Inflation hatten wir übrigens sogar noch in den 90er-Jahren; in den 70er-Jahren hatten wir sie eigentlich ständig. Herr Tebroke hat schon darauf hingewiesen: In diesem Jahr sind das gar nicht wirklich 5,2 Prozent – das ist völlig irreführend –, sondern wir liegen im Jahr 2021 bei einer Inflationsrate von unter 3 Prozent.

(Zuruf von der AfD: Sie leugnen die Fakten!)

Ja, das sind mehr als 2 Prozent – das Ziel der EZB –, aber, ehrlich gesagt, angesichts der ganzen Effekte – der Deflation, die wir letztes und vorletztes Jahr hatten – ist das erstaunlich wenig, wenn man eben auch bedenkt, dass die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent erhöht worden ist, dass die Lieferketten immer noch brüchig sind und dass auch die Energiepreise – nachholend – wieder gestiegen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Cansel Kiziltepe [SPD])

Es ist richtig: Das eine Prozent ist nicht nichts. Das müssen wir auch weiter beobachten, aber das ist weit weg davon, irgendwelche Hysterien auszulösen. Richtig ist auch: Wir müssen schauen, ob wir das für die Schwächsten abfedern müssen.

Was Sie von der AfD hier vorschlagen, ist aber das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen; denn Sie setzen mit all diesen Maßnahmen, die in Ihrem Antrag stehen, einfach die Lohn-Preis-Inflationsspirale so richtig in Gang. Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie treiben also die Inflation mit Ihrem Antrag in die Höhe und bewirken das Gegenteil.

(Zuruf von der AfD: Das ist interessant! Hauptsache, die Inflation kommt beim kleinen Mann nicht an!)

Frau Schielke-Ziesing hat gerade ja noch mal deutlich gemacht, dass die EZB wieder schuld ist, und laut Ihrem Antrag ist natürlich auch die neue Bundesregierung schuld.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

In einem Punkt bin ich sehr dankbar dafür, Herr Tebroke, wie Sie hier heute gesprochen haben. Leider hat Herr Linnemann – auch aus Ihrer Fraktion – sich deutlich anders geäußert. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mit Herrn Linnemann noch mal sprechen könnten; denn er spricht von „kalter Enteignung der Sparer“ und davon, dass Frau Lagarde dringend mal die Politik ändern muss.

(Zuruf von der AfD: Da hat er vollkommen recht!)

Das ist was anderes als das, was Sie heute gesagt haben, und deswegen würde ich mich freuen, wenn die Unionsfraktion insgesamt zu dem Schluss kommen würde, den Sie hier heute angekündigt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir alle miteinander wissen: Selbst wenn die EZB jetzt kurzfristig reagieren würde – und Sie wissen, die EZB muss ihre Politik mittelfristig ausrichten –, wäre erst in gut zwölf Monaten ein entsprechender Effekt zu sehen. Und auch alle die, die nun fragen: „Die Amerikaner machen das doch jetzt; warum macht die EZB das nicht?“, haben wohl nicht mitbekommen, dass die Amerikaner vor einem guten Jahr auf einem wesentlich höheren Inflationsniveau waren als wir. Deswegen ist es richtig, dass die Fed jetzt reagiert. In der Europäischen Union ist die Situation aber völlig anders, und deswegen reagiert die EZB aktuell völlig angemessen. Sie hat es im Blick, wird aber nicht kurzfristig hyperagieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Auch wenn der Wirtschaftsweise der CDU was anderes behauptet: Der Sachverständigenrat der ehemaligen Bundesregierung hat noch mal deutlich gemacht, dass er davon ausgeht, dass der Inflationsanstieg vorübergehend ist und dass zum Jahresbeginn 2022 der Sondereffekt der reduzierten Mehrwertsteuer ausläuft, dass die Inflation insgesamt aber wahrscheinlich weiterhin erhöht sein wird, weil wir eben mit Corona noch nicht durch sind und die Krise wieder in vollem Gang ist. Das führt wahrscheinlich zu weiteren Lieferengpässen und Anpassungen der Energiepreise. Wir müssen – das ist die Kunst – das Schlimmste verhindern und dürfen gleichzeitig die Lohn-Preis-Spirale, die die AfD anheizen will, nicht aus dem Blick verlieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Wo ist die Politik für die kleinen Leute?)

Schauen wir mal in den Koalitionsvertrag, was er für Dinge vorgesehen hat, und da finden wir, dass der Instrumentenkasten dafür schon vorhanden ist. Im Koalitionsvertrag verankert ist: Kein Mensch wird in Zukunft aufgrund der Vereinbarungen der Ampel aus der Wohnung fliegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Heizkostenzuschuss wird einmalig erhöht, auch um dem entgegenzutreten. Bevor eine Kindergrundsicherung in ganzer Schönheit eingeführt wird – worauf ich mich sehr freue –, werden wir einen Sofortzuschlag auch für den Kinderregelsatz einführen, um eben den ärmsten Kindern in diesem Land entsprechende Unterstützung zu geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wir werden auch einen Mindestlohn von 12 Euro einführen, der für mindestens 20 Prozent der Beschäftigten zu einer Entlastung führen und sehr gut gegen die Inflation wirken wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie können sich wirklich auf die jetzige Koalition verlassen. Bitte vertrauen Sie uns! Wir werden beobachten und das Ganze mit Augenmaß so gestalten, dass solche Vorschläge, wie die von der AfD, hier keinen Platz haben.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Paus. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Jessica Tatti, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)