Rede von Katharina Beck Inflationsausgleich und Umsatzsteuer auf Gaslieferungen

Katharina Beck MdB
22.09.2022

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Das Inflationsausgleichsgesetz und damit auch der Abbau der kalten Progression ist ein großer Bestandteil des 65 Milliarden Euro schweren Entlastungspakets III. Es geht hier um die hohen Preissteigerungen und die Antwort des Staates darauf, wie er den Menschen helfen kann, diese abzufedern. Ich wundere mich über Ihr Staats- und Steuerverständnis, Herr Middelberg, das doch sehr abwertend formuliert war. Hier geht es darum, Menschen wirklich zu helfen, und nicht darum, dass sich der Staat irgendwie bereichert.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das habe ich doch gesagt! Genau darum geht es! Sie müssen die Bereicherung zurückgeben und mehr nicht!)

Es ist wichtig, dabei ein Augenmerk auf das immense soziale Ausmaß dieser aktuellen Krise und der damit einhergehenden Inflation zu legen, einer Krise, die – das möchte ich hier ganz klar sagen – von Putin und Russland ausgelöst wurde. Aber die Ursache für unsere Probleme und die hohen Preise liegt auch in der verheerend naiven Energiepolitik unserer Vorgängerregierung,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

die uns bis zur Unerträglichkeit von ebendiesem Putin und seinem Gas abhängig gemacht hat.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Da müssen Sie mal lieber mit Ihrem Koalitionspartner SPD reden! Reden Sie doch mal mit den ganzen Moskau-Reisenden! Schröder, Gabriel, Steinmeier – mit denen müssen Sie mal reden! – Kay Gottschalk [AfD]: Sie haben doch von 1998 bis 2005 mitregiert!)

Die Ampel arbeitet jetzt mit aller Kraft gemeinsam daran, uns unabhängig zu machen und die Ursachen für die hohen Preise, die Resultate Ihrer schlechten Energiepolitik, zu bekämpfen. Dass trotz des Lieferstopps im Gasbereich die Füllstände bei über 90 Prozent liegen, ist ein krasses Verdienst unseres Wirtschafts- und Energieministers Robert Habeck und unserer gesamten Ampelregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Karsten Klein [FDP])

Der massive Ausbau der Erneuerbaren, der Freiheitsenergien, wird mittelfristig auch zu Preissenkungen führen und uns zukunftsfähig aufstellen.

Die aktuelle soziale Lage in Deutschland ist leider bestürzend. Laut einer INSA-Befragung verzichten bereits 16 Prozent der Menschen in Deutschland aufgrund der hohen Inflation auf regelmäßige Mahlzeiten, weitere 13 Prozent denken darüber nach. Schauen Sie sich hier einmal um, und stellen Sie sich vor, jeder Dritte hier im Raum hätte aufgrund von Geldknappheit Probleme oder Sorgen, geregelt zu essen. In Deutschland ist das leider aktuell Realität. Die Lebensmittelpreise sind explodiert. Hinzu kommen die noch stärker explodierenden Energiekosten, die vielen Existenzsorgen bereiten.

Am härtesten trifft dies die rund 40 Prozent der Deutschen, die überhaupt keine Rücklagen haben, circa 33 Millionen Menschen.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Frau Beck, was machen Sie denn jetzt mit den Gas- und Strompreisen? Vielleicht sagen Sie das mal konkret! Was machen Sie denn jetzt?)

Es trifft die Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen, die bisher zum Teil aufgrund der hohen Mietkosten kaum etwas zurücklegen konnten, weil Sie die Mieten so haben explodieren lassen. Aufgrund ihres Einkommens haben sie keinen Spielraum, die steigenden Preise abzupuffern. Deswegen fokussieren wir uns als Ampel auf die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen und entlasten sie mit einem Gesamtpaket, das sehr gut ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das machen Sie eben nicht! Sie kümmern sich nicht um die Strompreise und nicht um die Gaspreise!)

Die Wahrheit ist leider: Schon vor der Krise ging es nicht allen gut. Die Ungleichheit in diesem Land ist strukturell. Wir haben die Regierung zu einem Zeitpunkt übernommen, in dem jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebte, jedes fünfte Kind in dem Land, das das viertreichste der Welt ist.

(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Man kann wirklich erschüttert sein, dass Sie das Land so hinterlassen haben.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Ein Schwachsinn! Das kann man nicht mehr anhören!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD?

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich nehme keine Zwischenfragen von der AfD an.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Ampel handelt mit großer Verantwortung. Das dritte Entlastungspaket umfasst 65 Milliarden Euro, zusätzlich zu den 30 Milliarden Euro aus den ersten beiden Paketen. Hinzu kommen Wirtschaftshilfen in immensem Ausmaß; denn Deutschland muss auch zukunftsfähig bleiben.

(Uwe Feiler [CDU/CSU]: Alles verpufft!)

Gleichwohl – das muss ganz klar gesagt werden –: Diese Krise ist so groß, dass wir als Politik nicht alles abfedern können. Unsere Priorität muss auf der Abfederung der größten Härten liegen.

Es ist bekannt, dass wir Grüne im Sommer die Vorschläge zum Abbau der kalten Progression kritisiert haben; denn dies hätte dazu geführt, dass Geringverdienende viermal so wenig entlastet worden wären wie Vielverdienende. Zusammen mit den anderen Maßnahmen im Paket ist das Ergebnis, dass am unteren Ende tatsächlich viel entlastet wird. Zum Beispiel wird eine Alleinerziehende mit einem Kind mit nur 1 000 Euro Einkommen im Monat – auf Basis der Berechnungen der Universität Nürnberg – mit 869 Euro über das Jahr entlastet. Und eine Alleinerziehende mit einem Einkommen von 6 500 Euro pro Monat wird mit 765 Euro im Jahr entlastet. Bei den Beziehern geringer, niedriger und mittlerer Einkommen ist noch etwas zu tun, aber die Richtung stimmt.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dazu tragen beispielsweise die im Koalitionsausschuss verhandelte Anhebung des Kindergelds um 18 Euro und auch die erneute Anhebung des Grundfreibetrags bei. Beides ist schon Teil dieses Gesetzentwurfs.

(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Das vierte Kind haben Sie vergessen!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie haben jetzt noch einen Satz.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wichtig ist, dass wir bald die Anhebung des Kinderzuschlags auf den Weg bringen und die wirklich notwendige Kindergrundsicherung gut aufstellen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wenn jeder Redner zwischen 30 und 40 Sekunden überzieht, sind wir erst um drei Uhr heute Nacht fertig. Das will mit Sicherheit keiner von Ihnen.

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Steiniger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)