Rede von Ulle Schauws Informationen zum Schwangerschaftsabbruch-Abschaffung §219a StGB

22.02.2018

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! § 219a StGB verhindert, dass Frauen, die ungeplant schwanger und in einer Notlage sind, sich umfassend, schnell und sachlich informieren können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade dort, wo sie sich als Erstes verlässliche Hilfe und Informationen erhoffen, nämlich bei einer Frauenärztin oder einem Frauenarzt, genau dort finden sie diese Informationen auf schnellem Wege nicht. Denn es ist Ärztinnen und Ärzten nach § 219a verboten, sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich zu machen und online zu stellen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich parlamentarisch über diesen veralteten Paragrafen des Strafgesetzbuches debattieren. Wir Grüne haben dazu eine klare Haltung: Wir wollen die Aufhebung von § 219a.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

„Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“, so lautet die Überschrift. Dieser Titel ist gewissermaßen irreführend. Denn unter Strafe gestellt wird hier deutlich mehr als nur Werbung. § 219a stellt auch die öffentliche und sachliche Information unter Strafe, und das ist absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich sage sehr deutlich: Wir Grünen wollen nicht, dass Werbung für Schwangerschaftsabbrüche erlaubt ist; das ist wohl klar.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was wir aber wollen, ist Rechtsklarheit für Ärztinnen und Ärzte. Denn sie müssen Schwangere sachlich und medizinisch informieren dürfen, ohne dafür vor Gericht zu landen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin, von der AfD?

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage. – Das ist der Alltag in Deutschland. Dies ist der Ärztin Kristina Hänel passiert; das haben Sie der Presse entnommen.

Abtreibungsgegnerinnen und ‑gegner gehen gezielt gegen Ärztinnen und Ärzte vor, die online über Schwangerschaftsabbrüche informieren, und zeigen diese an. Für eine Anzeige reicht es oft schon aus, wenn das Wort Schwangerschaftsabbruch auf einer Homepage steht. Und: Die Zahl der Anzeigen – das ist der Punkt – steigt seit Jahren stetig. Es ist jetzt an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas dagegen zu tun, und zwar zügig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Noch einmal zur Klarstellung: Ärztinnen und Ärzte dürfen schon jetzt nicht für Schwangerschaftsabbrüche Werbung machen; denn das Berufsordnungsrecht der Ärzte untersagt anpreisende Werbung. Das wissen Sie alle. Sollte es darüber hinaus Sanktionsbedarf für Fehlverhalten geben, dann kann das auch im Ordnungswidrigkeitsrecht geregelt werden. Was wir dafür aber nicht brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Strafgesetzbuch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darum sage ich: Lassen Sie uns jetzt an dieser Stelle für Klarheit sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Eine Aufhebung des § 219a – das sage ich in Richtung Union – berührt den Gesamtkompromiss des § 218 nicht.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Eben doch!)

Das hat auch die Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven am Montag in der FDP-Anhörung deutlich ausgeführt.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Wir sind ganz anderer Meinung!)

Insofern können Sie hier beruhigt sein, liebe Unionskolleginnen und -kollegen. Sowohl das Schutzkonzept als auch die Beratungsregelung bleiben bestehen. Es geht ausschließlich um die Streichung des § 219a aus dem Strafgesetzbuch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Ein weiterer wichtiger Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Aktuell wird die Suche nach einem Arzt oder einer Ärztin oft unnötig verkompliziert. § 219a verhindert nämlich die Transparenz darüber, in welchen Arztpraxen und nach welcher Methode dort Abbrüche vorgenommen werden. Es ist sogar für die Beratungsstellen schwer – das wissen wir –, an diese Informationen zu kommen. Sie können Frauen nach einer Konfliktberatung oft keine aktuelle Liste mit Adressen von Arztpraxen geben. Das ist ein echtes Problem; denn Beratungsstellen wollen und sollen die Frauen verlässlich informieren. Von pro familia wird deswegen unter anderem auch die Aufhebung von § 219a gefordert. Genau darum sollten wir dies im Sinne der Selbstbestimmung von Frauen jetzt tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Frauen diese höchstpersönliche Entscheidung so informiert und so gut wie möglich treffen können. Informationen müssen online zugänglich sein; wir leben im 21. Jahrhundert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Lassen Sie uns gemeinsam nach guten Lösungen suchen: im Sinne der Informationsfreiheit für Frauen und im Sinne der Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte.

Vielen Dank. Ich freue mich auf die Beratungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)