Rede von Marlene Schönberger Innen und Heimat

Marlene Schönberger MdB
24.11.2022

Marlene Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Jawoll!)

Jedes Mal, wenn es zu einer antisemitischen Straftat kommt, sind die Reaktionen die gleichen: Es wird verurteilt, Solidarität bekundet, unverzügliches Handeln gefordert. Aber schnell versinkt alles wieder in Unbekümmertheit. Nur für die Betroffenen geht der Alltag weiter – mit Schmerz und Traumata.

Das Schlimmste ist die Erfahrung, zu oft nicht ernst genommen zu werden, dass Erlebtes infrage gestellt wird, dass der Antisemitismus nicht erkannt wird, wenn er in den Zwischentönen steckt. Denn anders als viele denken, finden die meisten antisemitischen Übergriffe unterhalb der Strafbarkeitsgrenze statt,

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

zum Beispiel wenn behauptet wird, dass Israel Konzentrationslager bauen würde, wenn Shoah-relativierende Witze gerissen oder von mächtigen Strippenziehern fabuliert wird, wenn von der „Auschwitzkeule“ gesprochen wird, wenn „mit letzter Tinte“ Gedichte geschrieben werden, wenn ein Theaterstück aufgeführt wird voll von antisemitischen Stereotypen und Shoah-Relativierungen. Die Liste ist endlos, und sie beschreibt den Alltag vieler Jüdinnen und Juden. Und dennoch glauben viele Menschen, dass Antisemitismus ein Problem der Vergangenheit wäre.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis vor acht Jahren blieb den Betroffenen häufig nur die Möglichkeit, auszuhalten oder die Ablehnungsschreiben von Staatsanwaltschaften zu sammeln. Die Situation hat sich erst 2015 verbessert. Seitdem gibt es RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. RIAS ist für viele Jüdinnen und Juden nach Antisemitismuserfahrungen die erste Anlaufstelle. RIAS berät nach antisemitischen Übergriffen. RIAS sammelt Daten, die es ermöglichen, dieses massive Dunkelfeld Antisemitismus zu erhellen, über- und unterhalb der Strafbarkeitsgrenze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als Ampel haben wir erkannt: Desinteresse an der Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist ein unhaltbarer Zustand. Wir sind gefordert, zerstörtes Vertrauen wiederaufzubauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dieser Haushalt ist ein weiterer wichtiger Schritt auf einem langen Weg. Wir stellen RIAS im Innenetat 1,1 Millionen Euro für 2023 bereit; denn die Stärkung der Recherche- und Informationsstelle ist für uns ein wichtiger Bestandteil bei der Bekämpfung von Antisemitismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Hinzu kommen über 20 Millionen Euro mehr für die Unterstützung jüdischen Lebens, beispielsweise für den Zentralrat der Juden, für den Bau einer Synagoge in Berlin-Wilmersdorf, das Nevatim-Projekt, den Freundeskreis Yad Vashem und das Tikvah Institut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Damit zeigen wir, in welche Richtung die Ampel gehen will: Klares Handeln statt leerer Phrasen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)