Rede von Dr. Sandra Detzer Innovationsförderung im Gesundheitsbereich

08.07.2022

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheitswirtschaft hat einen ganz herausragenden Stellenwert in Deutschland; das ist ganz klar. Sie erwirtschaftet – die Kollegin hat es gesagt – 12,1 Prozent des BIP; das entspricht jedem achten Euro in Deutschland. Sie ist mit 7,4 Millionen Beschäftigten auch einer der größten Arbeitgeber in Deutschland.

Die Binsenweisheit, dass die Bedeutung dieser Branche wächst, will ich an dieser Stelle trotzdem noch mal deutlich betonen; denn gerade bei der demografischen Entwicklung, die wir momentan erleben, ist es natürlich wichtig, dass wir in der Gesundheitswirtschaft gut aufgestellt sind. Ich glaube, auch die Tatsache, dass in den letzten zehn Jahren 1 Million Jobs in dem Bereich entstanden sind, spricht eine deutliche Sprache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die Medikamente kommen aus China!)

Was aus der Statistik nicht deutlich wird, ist, dass die Gesundheitsbranche eben keine Branche ist wie alle anderen. Das haben wir in der Coronakrise deutlich gemerkt. Ob ich ein Handy habe oder nicht, ist das eine. Aber ob ich gesund bin oder nicht, ist das andere; das ist existenziell. Deswegen ist natürlich die Versorgung mit Masken, mit Impfstoffen insbesondere, aber auch mit Pflegepersonal elementar für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir sind natürlich zu Recht stolz darauf, dass BioNTech insbesondere in Rekordzeit einen Coronaimpfstoff entwickelt hat und dass das Unternehmen damit den entscheidenden Beitrag geleistet hat, um in der Bekämpfung der Coronapandemie voranzukommen. An dieser Stelle will ich aber noch mal explizit auch all denjenigen Forscherinnen und Forschern danken, die in dem Wettlauf nicht reüssiert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Jarzombek, ich muss an der Stelle sagen: Ich finde es auch nicht klug, dass Sie da gerade die BAföG-Reform als mögliche Gegenfinanzierung für IPCEI ansprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das habe ich nicht getan! Frau Kollegin, bleiben Sie mal seriös!)

Denn vor dem Hintergrund der Unternehmensgeschichte von BioNTech ist doch ganz klar, dass wir gerade die Forscherinnen und Forscher von morgen unterstützen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sie behaupten gerade Fake News, wissentlich!)

Das ist der Weg, den wir gehen. Und das ist ein ganz spannender Punkt, worüber wir noch diskutieren sollten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des von Ihnen hier angesprochenen Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion?

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr gerne.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Das verlängert auch Ihre Redezeit.

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist doch schön.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Entschuldigung reicht dann als Antwort!)

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):

„Entschuldigung reicht dann als Antwort“, sagt der Kollege. Das stimmt wohl. Also: Bitte verdrehen Sie die Dinge nicht. Ich habe hier ganz klar gesagt: Geld ist da. Das sieht man an den 6,8 Milliarden Euro für eine einzige Firma, für Intel. Für eine einzige Firma werden hier 6,8 Milliarden Euro ausgegeben, und die halbe Milliarde für die vielen Biotech-Start-ups, Mittelständler und alles, was da dranhängt, hat die Regierung nicht. Das ist eine Frage von Prioritätensetzung. Das habe ich hier deutlich gesagt.

Zum BAföG habe ich nur eins gesagt: dass aus dem BMBF bisher nur BAföG rausgekommen ist, und das übrigens auch nicht gut, weil es zu wenig ist. Die letzte BAföG-Reform bleibt deutlich hinter dem zurück, was wir vor drei Jahren gemacht haben, und auch unter der Inflation.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Ja, klar. Wir haben um 7 Prozent erhöht, Sie um 5,75 Prozent. Wir haben den Wohnkostenzuschlag für BAföG-Empfänger um 30 Prozent erhöht, Sie nur um 11 Prozent.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, Sie sollen keine Korede halten. Sie sollten sich vielleicht mit der Rednerin beschäftigen.

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):

Gut. – Das BAföG ist keine Refinanzierung dafür. Intel wäre eine Refinanzierung, und bei TSMC werden Sie die nächsten Milliarden lockermachen; das können wir heute schon sehen. Die Ministerin soll sich aber neben BAföG auch mal um Forschung kümmern. Das war mein Ansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Sandra Detzer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank, Herr Kollege. Ich nehme mit, dass wir uns einig sind, dass die Erhöhung des BAföG eine richtige politische Maßnahme war

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Eine zu kleine!)

und dass wir da auf dem Weg sind, um Forscherinnen und Forscher von morgen zu stärken. Ich glaube, das ist an der Stelle ein entscheidender Punkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Katrin Staffler [CDU/CSU]: Dann hören Sie vielleicht nächstes Mal besser der Debatte zu!)

Ja, für die Innovationsstärke sind IPCEIs und europäische Forschungsprojekte von ganz entscheidender Wichtigkeit. Wenn sich mehrere Mitgliedsstaaten für wichtige Projekte zusammentun, dann kann das nur eine positive Wirkung haben, und genau das ist es, was wir in Europa erreichen wollen, nämlich dass wir gemeinsam stark sind. Genau deswegen ist es auch gut und richtig, dass Deutschland in ganz vielen IPCEIs in unterschiedlichen Bereichen federführend mit dabei ist, dass wir gemeinsam mit europäischen Partnerinnen und Partnern zusammenarbeiten. Ich kann zum Beispiel für den Bereich Mikroelektronik sagen, wo Forscher/-innen aus meinem Wahlkreis unterwegs sind: Auch da haben wir wichtige Innovationsleistungen zu bringen; auch da müssen wir vorangehen. Genau deswegen ist es wichtig, dass Deutschland in der Breite sich an diesen Forschungsprojekten beteiligt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Jetzt ist aber nun mal ein Unterschied zwischen Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen, dass wir am Ende des Tages einen Haushalt aufstellen müssen, der verfassungskonform ist.

(Tilman Kuban [CDU/CSU]: Das werden wir sehen!)

Ich darf Sie beglückwünschen: Das Problem haben Sie gerade nicht. Wir haben aber unsere Hausaufgaben gemacht. Deswegen auch an der Stelle ganz konkret aus dem Wirtschaftsbereich eine wichtige Stellschraube: Wir haben die ZIM-Mittel erhöht.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Es gibt noch keine! Es ist immer noch Antragssperre!)

Ja, sie reichen nicht. Ja, sie sind nicht so hoch, wie sie eigentlich zur Verfügung stehen sollten. Aber wir haben das in einer mittelfristigen Finanzplanung gemacht, die aus Ihrer Zeit nicht ausreichend ausfinanziert war, die Löcher aufgewiesen hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ich bin mal gespannt, ob Sie 1 Euro dieses Jahr bei ZIM ausgezahlt haben!)

Da haben wir den Innovationsstandort Deutschland gestärkt, und der Mittelstand ist uns dankbar, und die Rückmeldungen sind dahin gehend eindeutig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Was? Die Briefe möchte ich mal sehen! Ich werde Ihnen hundert Briefe vom entsetzten Mittelstand zeigen!)

Ich komme jetzt zum Schluss. Da ich in dem Antrag keinen konkreten Gegenfinanzierungsvorschlag entdecken kann, bleibt das Fazit:

(Katrin Staffler [CDU/CSU]: Hören Sie nicht zu, oder was?)

Der Antrag ist inhaltlich weitgehend nachvollziehbar, das ist klar

(Katrin Staffler [CDU/CSU]: Das gibt es ja wohl nicht!)

– ganz ruhig Frau Kollegin, ganz ruhig –,

(Katrin Staffler [CDU/CSU]: Nee, echt! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wenn es so aufgeschrieben ist, muss es auch so vorgelesen werden!)

aber in der angespannten Haushaltslage leider nicht umsetzbar. Darum lehnen wir ihn ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Detzer. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Gerald Ullrich, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)