Rede von Dr. Manuela Rottmann Insolvenz

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17.09.2020

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss, glaube ich, noch mal klarstellen, Frau Akbulut: Ab dem 1. Oktober gilt für zahlungsunfähige Unternehmen – und Zahlungsunfähigkeit ist der Hauptgrund für Insolvenzanmeldungen in Deutschland – wieder die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wir verlängern also nicht einfach irgendwas, sondern wir kehren weitgehend zu den Regeln vor Corona zurück. Es ist mir wichtig, dass noch mal klarzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit im Geschäftsverkehr Schaden nimmt, dann droht eine Lähmung unserer Wirtschaftskreisläufe. Denn unsere Volkswirtschaft funktioniert nicht auf Basis von Vorkasse; das geht einfach nicht. Eine solche Lähmung müssen wir abwenden. Deswegen stimmen wir Grünen diesem Gesetzentwurf zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir widersprechen aber, wenn jemand sagt, das Ziel der Aussetzung sei erreicht; die Insolvenzantragspflicht sei deswegen aufzuheben, weil die staatlichen Hilfen wegen Corona ja nun angekommen seien, und wer jetzt noch insolvent gehe, dessen Geschäftsmodell sei auch unabhängig von Corona nicht tragfähig. Das stimmt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer so etwas behauptet, der wird bei vielen Betroffenen nicht auf Gegenliebe stoßen. Sie werden es als Unverschämtheit empfinden; denn Ihre Hilfen kommen eben nicht alle an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

25 Milliarden Euro sollten als Überbrückungshilfe in kleine und mittlere Unternehmen fließen, deren Umsatz wegen Corona eingebrochen ist. Davon wurden bis Anfang August ganze 3 Prozent beantragt. Dieses Programm darf ausdrücklich nur zur Deckung von Betriebskosten verwendet werden. Viele Soloselbstständige und Familienunternehmen mit niedrigen Betriebskosten erreicht es nicht. Haben der Ehepartner oder im Haushalt lebende Kinder noch ausreichend Einkommen, ist auch der Weg ins ALG II versperrt, und sobald das Vermögen 60 000 Euro übersteigt, muss eine aufwendige Vermögensprüfung durchgeführt werden. Viele Selbstständige haben aber keine eigene gesetzliche Altersvorsorge. Deswegen haben sie Vermögen angespart, oder ihr Vermögen besteht gerade aus ihren Betriebsmitteln.

In vielen Branchen ist der Zusammenhang zwischen dem Wegbrechen des Umsatzes und Corona ganz offensichtlich, etwa in der Veranstaltungsbranche. Wenn diese Unternehmen und Selbstständigen jetzt Insolvenz anmelden müssen, dann nicht, weil ihr Geschäftsmodell nicht funktioniert, sondern, weil Minister Altmaier mit der Bazooka danebengeschossen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn jetzt Lichttechniker ihr wertvolles Equipment zu Schleuderpreisen verkaufen oder Übersetzerinnen auf ihre Altersvorsorge zurückgreifen müssen, dann ist das mehr als eine individuelle Tragödie: Es ist volkswirtschaftlich eine Katastrophe.

Das Insolvenzrecht kann diesen Fehler nicht ausbügeln. Es sind die Hilfsprogramme der Bundesregierung, die endlich an die Realität der Selbstständigen angepasst werden müssen. Auch dafür läuft am 1. Oktober die Uhr ab. Das darf nicht irgendwann passieren; das muss heute passieren, und zwar jetzt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Die Reden von Sonja Amalie Steffen und Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD, gehen zu Protokoll

. Deshalb ist letzter Redner in der Debatte für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Alexander Hoffmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)