Rede von Ulle Schauws Internationaler Frauentag

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17.02.2022

Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr bietet uns der Internationale Frauentag eine Chance, nämlich die, ehrlich auf die Lage von Frauen zu schauen und daraus politisches Handeln abzuleiten. Als Grüne sind wir in der Koalition mit SPD und FDP angetreten, genau dies zu tun: handeln und dem Stillstand in puncto Gleichstellung, der viel zu lange geherrscht hat, ein Ende bereiten. Dass der Aufbruch der Ampelkoalition auch ein feministischer ist, haben sehr viele in unserem Land aufatmend begrüßt. Mit einer engagierten Feministin als Frauenministerin

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und mit einer Außenministerin, die aktiv ein Zeichen mit feministischer Außenpolitik setzt, wird klar: Auch das Empowerment von Frauen und Menschenrechte stehen im Mittelpunkt. Das ist ein positives Zeichen für die Frauen auch in unserem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ariane Fäscher [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört auch, dass die Coronasituation aktuell negativ auf die Geschlechtergerechtigkeit wirkt. Die strukturelle Ungleichheit führt laut einer neuen Studie des WSI dazu, dass es gerade die Frauen sind, die ihre Arbeitszeit reduzieren und Homeschooling und Kinderbetreuung auf sich nehmen. Anfang dieses Jahres hat jede fünfte Mutter ihre Arbeitszeit wegen der pandemischen Lage reduziert. Das ist alarmierend. Den Müttern gehen massiv die Kräfte aus. Und es geht nicht, Frauen weiter still und mit unentgeltlicher Leistung auszulagern.

Wir müssen Frauen jetzt entlasten. Wir brauchen mehr als nur Kinderkrankentage; die alleine helfen nicht. Was hilft, ist die Stärkung von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie etwa der Brückenteilzeit; denn die ermöglicht es Frauen, die Arbeit partnerschaftlicher aufzuteilen. Durch eine faire Aufteilung der Care-Arbeit, durch die Abschaffung der Steuerklassen III und V, durch zwei Wochen Schutzzeit für den zweiten Elternteil nach der Geburt, durch die Weiterentwicklung des Elterngeldes verschaffen wir Frauen wieder Perspektiven, und die brauchen sie zügig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den größten Ungerechtigkeiten gehört nach wie vor die Lohnlücke von 18 Prozent bei Frauen, und darum sind ein verbessertes Entgelttransparenzgesetz und das Verbandsklagerecht unerlässlich. Uns ist es ein Anliegen, die Lage der Frauen mit prekären Beschäftigungen, die von Ausbeutung und von Armut bedroht sind, zu verbessern. Da ist der Mindestlohn wichtig, aber auch die Reform des AGG ist unerlässlich; denn gerade für Frauen mit Rassismuserfahrung oder Mehrfachdiskriminierung, für Transfrauen, Lesben, Frauen mit Behinderungen oder Kopftuchträgerinnen ist das ein ganz wichtiger Schritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist für uns ein Selbstverständnis, dass wir für die Rechte aller Frauen in ihrer ganzen Vielfalt und Würde einstehen, nicht nur am Frauentag, sondern immer und uneingeschränkt. Unser Feminismus ist solidarisch und intersektional. Das gilt beim Gewaltschutz und bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention genauso wie bei der Selbstbestimmung.

Mir liegt besonders am Herzen, reproduktive Rechte und die körperliche Selbstbestimmung aller Frauen und gebärfähigen Menschen zu erreichen. Die Streichung des § 219a ist auf dem Weg; das ist gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir machen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche für alle Betroffenen zugänglich und schaffen Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte. Aber auch für die bereits verurteilen Ärztinnen und Ärzte, deren Klagen beim Bundesverfassungsgericht liegen, wollen wir eine Lösung bzw. eine Form der Entschädigung anbieten; denn sie haben so viel Druck ausgehalten. Und ich sage: Ihnen gilt hier unser Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Die Streichung des § 219a ist frauenpolitisch ein wichtiges Signal. Sie löst aber nicht die prekäre Versorgungslage beim Schwangerschaftsabbruch in Deutschland, zu deren Absicherung wir im Bund und in den Ländern verpflichtet sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darum müssen wir das dringend verbessern. Es gibt immer weniger Ärztinnen und Ärzte dafür. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der ärztlichen Ausbildung werden. Als Ampelkoalition werden wir in der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung nach Lösungen suchen, sodass sich an der Kriminalisierung ungewollt Schwangerer und ihrer Ärztinnen und Ärzte endlich etwas ändern kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es ist wirklich Zeit, eine gesellschaftliche Debatte über reproduktive Selbstbestimmung zu führen, und zwar sachlich, faktenbasiert und ergebnisoffen, und die Forderungen aus der UN-Frauenrechtskonvention zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland endlich umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viel zu tun. Ich kann sagen: Ich freue mich auf den feministischen Aufbruch gemeinsam mit allen engagierten Partnerinnen und Partnern und einer Regierung, die frauenpolitisch den Unterschied macht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die Unionsfraktion ergreift jetzt Mechthild Heil das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)