Rede von Lamya Kaddor Iranische Protestbewegung

Lamya Kaddor
15.12.2022

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch an unsere Bundesaußenministerin! Alles Gute, liebe Annalena!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])

Es geht um einen Antrag der CDU/CSU. „Iranische Protestbewegung entschlossen unterstützen“, so lautet Ihr Antrag. Ich finde, wir sehen hier ein Beispiel für die Folgen ideologiegetriebener und unüberlegter Wortklauberei. Wie der Teufel das Weihwasser scheuen Sie den Begriff „feministische Außenpolitik“. Um ihn ja nicht gelten zu lassen, sprechen Sie lieber gekünstelt von „frauenorientierter Außenpolitik“.

Leider führt Sie genau das in eine völlig falsche Richtung. Das fängt schon mit dem Titel Ihres Antrages an. Im Text erklären Sie dann, es bedürfe einer „konkreten Implementierung einer echten frauenorientierten Außenpolitik, welche die Verbesserung der Lage der Frauen konkret in den Blick nimmt“. Nein! Es geht im Iran um sehr, sehr viel mehr. Die Bundesregierung und insbesondere Bundesaußenministerin Annalena Baerbock haben das sehr genau verstanden. Die Proteste sind feministisch und werden eben nicht von Frauen für Frauen allein durchgeführt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Man kann auch am Thema vorbeireden, ne? Total am Thema vorbei!)

Das belegen die vielen männlichen Demonstranten, die seit nunmehr drei Monaten auf die Straße gehen und auf tragischste Weise ihr Leben riskieren. Denn neben der Gleichberechtigung von Frauen geht es um nichts weniger als den Protest gegen das Unrechtsregime der Mullahs mit ihrem Unrechtsapparat im Ganzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Feministische Außenpolitik richtet sich nicht allein von Frauen an Frauen – das sagte ich bereits –, es geht auch um einen emanzipatorischen und protektionistischen Gesamtansatz im Hinblick auf marginalisierte Gruppen. Feministische Außenpolitik mahnt zur Einhaltung von Menschenrechten, gerade und insbesondere bei Kindern, bei Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, bei Verfolgung aufgrund von Herkunft, sexueller Orientierung, Hautfarbe oder Religion. Das haben sehr früh auch Männer im Iran erkannt und sich solidarisch und mutig an die Seite der Demonstrantinnen gestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesem Verständnis feministischer Außenpolitik liegt ein großes Friedenspotenzial zugrunde, das für die internationale Diplomatie unverzichtbar ist, meine Damen und Herren.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sagen Sie auch was zu der Situation im Iran? Also echt, Wortklauberei!)

Mit Bestürzung haben wir alle die barbarischen Hinrichtungen von Mohsen Shekari und Madschidresa Rahnaward durch den Strang aufgenommen. Die beiden jungen Männer hatten für einen Iran frei von Repressionen und Unterdrückung demonstriert und wurden dafür qualvoll gehängt. Was für uns hier unvorstellbar ist, ist dort seit Jahren Realität.

Sehr geehrte Damen und Herren, statt Reformschritte zu gehen, halten die islamistischen Machthaber an ihrer brutalen Unterdrückungspolitik fest. Ich hoffe inständig, dass die Rechnung der Mullahs nicht aufgeht.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Unterstützen Sie unseren Antrag!)

Die mutigen Iranerinnen und Iraner gehen bis dato weiterhin auf die Straße, und dazu brauchen sie unser aller Unterstützung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir meinen es ernst mit der feministischen Außenpolitik gegenüber dem Iran. Vor allem das Auswärtige Amt war im Duo mit Frankreich der treibende Motor für die EU-Sanktionen gegenüber diesem islamistischen Regime. Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf hat unsere Außenministerin erfolgreich eine Resolution erwirkt, die die Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran verurteilt und die vorsieht, diese durch unabhängige UNO-Expertinnen und -Experten zu dokumentieren. Wir tun, was in unserer rechtlichen und politischen Macht steht.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einmal den Blick weiten. Die mutigen Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran sind Vorbild für Frauen und Mädchen in der gesamten Region. In Syrien, in Afghanistan gehen die Frauen auf die Straße; das wird hier nur kaum zur Kenntnis genommen. Als Berichterstatterin, die selbst syrische Wurzeln hat, für den Nahen und Mittleren Osten für meine Fraktion möchte ich Danke sagen für diesen großen Mut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Danke, dass Frauen und Männer in der Region sich zusammen gegen das Unrecht auflehnen und Freiheit fordern! Und danke an unsere Außenministerin Annalena Baerbock, die diesen Kampf politisch mitführt. Es macht eben einen Unterschied, dass eine Frau als Chefdiplomatin den Ton angibt, erst recht für diese Region. In diesem Sinne: Frauen, Leben, Freiheit – Jin, Jiyan, Azadi.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)