Rede von Jürgen Trittin Iranische Protestbewegung

Foto von Jürgen Trittin MdB
15.12.2022

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Iran ist im Nahen Osten etwas Besonderes, übrigens im Guten. Und das liegt an den Menschen. Die Mehrheit der Iranerinnen und Iraner möchte eine strikte Trennung von Staat und Religion. Sie wollen nicht mehr in einem sogenannten Gottesstaat leben. Diese klare Haltung beruht auf den Erfahrungen mit einer islamischen Republik, die sich selbst als Gottesstaat definiert.

Doch was ist das für ein Gottesstaat, der seine Herrschaft auf den Strang stützt? Welchem Gott ist das gefällig? Was ist das für ein Staat, der seit Jahren Minderjährige ermordet, der Rappern mit dem Galgen droht? Heute stehen 23 Menschen vor der Vollstreckung der Todesstrafe. Es gibt unzählige Verhaftungen, Tote. Menschen, die für Frauen, Leben, Freiheit auf die Straße gegangen sind, werden nicht nur mit dem Tode bedroht, sondern die öffentlichen Hinrichtungen sollen sie einschüchtern. Diesen Menschen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Frauen, Leben, Freiheit – das hat vor einigen Wochen bei einem Fraktionsvorsitzenden hier schenkelklopfendes Gelächter ausgelöst.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: So viel zum Thema Parteipolitik!)

Nun legt die CDU/CSU einen Antrag für eine frauenorientierte Außenpolitik vor, und da sieht man eine Entwicklung.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Geht es um die Sache oder um Parteipolitik? – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Herr Oberlehrer!)

Dann würde ich, lieber Kollege Wadephul, auch in aller Freundlichkeit anmerken, dass Sie genau wissen, dass Sie an dieser Stelle mit rhetorischen Fragen nicht weiterkommen. Sie wissen, dass es Voraussetzungen gibt, die für eine Listung als Terrororganisation beispielsweise notwendig sind oder auch für die Schließung eines iranischen Zentrums, was dieser Bundestag schon lange fordert.

(Zuruf von der AfD: Sie waren doch dabei, Herr Trittin! Das sind doch Ihre alten Genossen! Was sind denn das für Töne hier?)

Aber Sie hätten auch hinzufügen können, dass Deutschland das einzige Land ist, in dem nach den Schüssen auf die Essener Synagoge nun mit den Ermittlungen des Generalbundesanwalts ein solches Verfahren eingeleitet wird, was die Voraussetzung wäre für die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Das ist das, woran diese Außenministerin sehr hart arbeitet.

Und, liebe Frau Wissler, ich teile viel von dem, was Sie gesagt haben, aber wäre es dann nicht einfacher gewesen, am 28. September im Ausschuss für Menschenrechte mit den anderen Fraktionen der UN-Resolution zum Iran zuzustimmen, anstatt sich zu enthalten?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich glaube, bevor man andere der Untätigkeit bezichtigt, sollte man mal das zur Kenntnis nehmen, was im UN-Menschenrechtsrat durchgesetzt worden ist.

Sie haben ja recht, Herr Kollege Hardt, dass sich 16 Länder enthalten haben. Aber wir müssen auch mal feststellen: Dass sich Länder wie Usbekistan und Kasachstan enthalten haben, die in verkehrlicher Hinsicht vom Iran total abhängig sind, ist schon ein Erfolg. Diese Länder haben nicht mit Nein gestimmt. Dieser Erfolg geht unter anderem auf die Reise der Bundesaußenministerin in diese Länder zurück, wo sie aktiv genau für diese Politik geworben hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wenn jemand wissen will, was feministische Außenpolitik ist: Das ist ein Beispiel für feministische Außenpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oijoijoi!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Sie müssen zum Schluss kommen, bitte.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Und es war diese Ministerin, die das dritte Sanktionspaket vorangetrieben hat, das übrigens nicht nur die Terroraktionen gegen die eigene Bevölkerung sanktioniert, sondern auch die Unterstützung des Irans für den Drohnenkrieg Russlands in der Ukraine. Solche Schritte sind Ergebnisse einer feministischen Außenpolitik, und es ist die Antwort auf ein Regime, das sich auf Gott beruft, aber eine satanische Politik betreibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)